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Interaktive Erfahrungen im Metaverse als Zukunft des Films?

Foto: Envato / stockbusters

Interaktive Erfahrungen im Metaverse als Zukunft des Films?

Das Metaverse hat nicht nur das Potenzial, das Internet zu revolutionieren. Es könnte sich auch zu einer Plattform für neuartige virtuelle Erfahrungen entwickeln. Viele Medien, die wir in unserem Alltag konsumieren, sind rein passive Erlebnisse. Auch Filme und Serien gehören dazu. Das Metaverse könnte das ändern.

Was ist ein interaktiver Film?

Interaktive Filme geben Zuschauerinnen und Zuschauern die Möglichkeit, in das Geschehen auf dem Bildschirm einzugreifen. Diese Entscheidungen können dazu führen, dass sich die Handlung in verschiedene Richtungen verzweigt und das Ende des Films beeinflusst. Klassischerweise werden dem Nutzer dafür mehrere Wahlmöglichkeiten vorgegeben, für die er sich entscheiden muss.

Der erste interaktive Film stammt aus dem Jahr 1967

Als erster interaktiver Film gilt das Projekt „Kinoautomat“, das auf der Expo 67 in Montreal gezeigt wurde. Das interaktive Filmerlebnis sieht vor, dass die Handlung an neun Stellen im Film unterbrochen wird. Daraufhin betritt ein Moderator die Bühne. Dieser fordert das Publikum auf, zwischen zwei möglichen Szenen zu wählen. Nach einer Abstimmung des Publikums über Knöpfe an den Sitzen erscheint die gewählte Szene auf der Leinwand.

Ironischerweise hat der Film nur ein einziges mögliches Ende, in dem das Haus des Protagonisten in Flammen aufgeht – egal, wie sich das Publikum entscheidet.

In den 1980er Jahren hielten interaktive Filme Einzug in die Spielhallen

Das Laserdisc-Format verhalf interaktiven Filmen den Sprung auf münzbetriebene Spielautomaten. Laserdiscs ähneln überdimensionalen CDs und boten für damalige Verhältnisse eine hervorragende Bildqualität und Kapazität. Als erster interaktiver Film auf Laserdisc gilt der Spielhallenautomat „Dragon’s Lair“, an dem der ehemalige Disney-Animator Don Bluth mitarbeitete.

Quelle: YouTube / Skarky’s Arcade

„Dragon’s Lair“ ist eine Aneinanderreihung von Zeichentrickszenen mit rudimentären Interaktionsmöglichkeiten. Das Filmmaterial wird dabei direkt von der Laserdisc abgespielt. Die Qualität der Grafik und Animationen war für damalige Verhältnisse spektakulär.

Der Spieler entscheidet anhand seiner Eingaben, welche Videosequenz als Nächstes abgespielt wird – und ob die Spielfigur überlebt

Der Spieler steuert die Spielfigur Dirk the Daring zwar nicht direkt, kann aber an zahlreichen Punkten bestimmen, in welche Richtung sie sich bewegen soll. Reagiert der Spieler nicht schnell genug oder trifft die falsche Entscheidung, führt dies zum Bildschirmtod – der ebenso als Zeichentricksequenz inszeniert wird.

„Dragon’s Lair“ wurde zur Erfolgsgeschichte und hatte zahlreiche Nachfolger. Auch andere Hersteller aus den USA und Japan sprangen auf den Laserdisc-Zug auf. Anfang der 1990er war der Boom jedoch zu Ende.

Verantwortlich dafür war zu einem großen Teil die stetige Weiterentwicklung traditioneller Computer- und Videospiele. Es wurde immer deutlicher, dass Laserdisc-Spiele aus nicht viel mehr als einer Sammlung von Videoclips bestanden und damit nur begrenzten Spielspaß boten.

Interaktive Laserdisc-Filme fanden keinen Platz in den heimischen Wohnzimmern

Obwohl Laserdisc-Player auch für gutbetuchte Filmenthusiasten als Heimsysteme erhältlich waren, gab es keine Heimversionen der erfolgreichen Laserdisc-Automatenspiele. Kommerziell erhältliche Laserdisc-Player waren ausschließlich auf das Abspielen von Filmen ausgelegt. Laserdisc-Spielautomaten dagegen kombinierten die Laserdisc als Speichermedium für die Filmsequenzen mit zusätzlichen Schaltkreisen zur Steuerung der Spielmechanik.

In den 1990er Jahren waren interaktive Filme auf CD-ROMs zu Hause

Interaktive Filme fanden unterdessen eine neue Heimat auf PCs und Spielekonsolen. Verantwortlich dafür war die zunehmende Verbreitung der für damalige Verhältnisse mit sehr hoher Speicherkapazität ausgestatteten CD-ROM. CD-ROMs konnten in puncto Videoqualität nicht mit Laserdiscs mithalten. Ihr entscheidender Vorteil war jedoch der wesentlich günstigere Anschaffungspreis der Datenträger und der passenden Laufwerke.

Die Kinderkrankheiten des interaktiven Films blieben jedoch bestehen: Dem Spieler durch das Anreihen von Videosequenzen vielfältige Interaktionsmöglichkeiten zum Weiterspinnen der Story zu bieten, erwies sich weiterhin als schwierig. Manche interaktive Filme unternahmen den Versuch, von CD abgespielte Videosequenzen mit Actionspiel-Elementen oder regulärer Spielegrafik zu kombinieren. Dies konnte jedoch nichts daran ändern, dass sich der Spieler in vielen interaktiven Filmen eher wie ein Zuschauer fühlt, der sich von einer Videosequenz zur nächsten hangelt.

Auch der hohe Speicherbedarf der Videosequenzen erwies sich zunehmend als Problem. Gleichzeitig stiegen die Produktionskosten durch immer aufwendigere Dreharbeiten. Die Herausforderungen des jungen Mediums schienen unüberwindbar.

Zu Beginn der Nullerjahre war der neue Trend endgültig Geschichte. Inzwischen hatte sich herausgestellt, dass leicht zugängliche Actionspiele mit geringeren Produktionskosten weitaus höhere Verkaufszahlen erzielten als interaktive Filme. Dem ehemals innovativen Medium seine Schönheitsfehler auszutreiben, erschien wie ein Aufwand, der sich nicht mehr lohnte.

Das Metaverse als Hoffnung für interaktive Filme?

Nach wie vor dominieren Actionspiele die Spielebranche als verlässliche Umsatzgaranten. Beliebte Spiele wie „Fortnite“, „PlayerUnknown’s Battlegrounds“ und Co. bieten Vielspielern monatelange Unterhaltung, sind aber für Gelegenheits- und Nichtspieler oft schwer zugänglich.

Frei erkundbare 3D-Welten können bereits heute interaktive Filme revolutionieren

Gleichzeitig können moderne Metaverse-Plattformen technisch bereits mit den Möglichkeiten moderner Computer- und Videospiele mithalten. Fotorealistische Grafiken und eine flüssige, intuitive Steuerung der Avatare setzen längst keine teuren Gaming-PCs mehr voraus.

Virtuelle Schauspieler als Revolution des Mediums

Zudem setzen zahlreiche Computer- und Videospielproduktionen inzwischen virtuelle Schauspieler ein. Diese bilden real existierende Schauspieler nach, die zu Akteuren in der Spielwelt werden. Zu den bekanntesten Vertretern gehören internationale Stars wie Keanu Reeves (Spiel: „Cyberpunk 2077“ von CD Projekt Red), Mads Mikkelsen und Norman Reedus (Spiel: „Death Stranding“ von Kojima Productions) sowie Elliot Page (Spiel: „Beyond: Two Souls“ von Quantic Dream).

Interaktive Filme benötigen somit keine klassischen Kameraaufnahmen mehr, um eine lebensechte Optik zu bieten. Dieser technische Durchbruch hat das Potenzial, die Flexibilität des Mediums ungleich zu erhöhen.

Quelle: YouTube / Cyberpunk 2077

Das Metaverse als neue Heimat für interaktive Filme?

Als logische Weiterentwicklung des Internets beweist das Metaverse bereits heute seine Flexibilität in der Kombination unterschiedlichster Medienformate. Auf zahlreichen Metaverse-Plattformen wie dem MILC-Metaverse lassen sich Gaming-Areas nahtlos mit Shopping-Centern, virtuellen Ausstellungen und vielem mehr kombinieren.

Auch interaktive Erlebnisse, die sich den aktuellen Trends des Gaming-Markts widersetzen, können sich inzwischen problemlos in Metaverse-Plattformen integrieren. Sie haben somit das Potenzial, ein breites Publikum außerhalb der Zielgruppe von Vielspielern anzusprechen.

Interaktive Filme in Earnest Clines „Ready Player One“

Die Darstellung des Metaverse in „Ready Player One“ von Ernest Cline gilt als eine der prägendsten und wichtigsten. Auch interaktive Filme sind Teil von Clines Metaverse-Vision. In seinem von Stephen Spielberg verfilmten Science-Fiction-Roman entwirft Cline einen neuen Ansatz, der mit bekannten Konventionen bricht. Dieser nennt sich „Flicksyncs“.

In einem Flicksync übernimmt der Metaverse-Nutzer die Rolle einer Figur aus einem Filmklassiker und muss diese nachspielen. Dies schließt das Aufsagen des Sprechtexts und das Ausführen der im Filmskript vorgesehenen Handlungen mit ein.

Sind „Flicksyncs“ das Filmerlebnis der Zukunft?

Gleichzeitig wird die Fähigkeit des Metaverse zur Darstellung virtueller dreidimensionaler Welten dazu genutzt, die Filmvorlage des „Flicksync“ in frei erkundbarem 3D nachzubilden. Dabei wird der Film aus der Perspektive der Figur gezeigt, deren Rolle der Nutzer spielt. Macht der Nutzer zu viele Fehler bei seiner virtuellen Darbietung, heißt es „Game Over“.

Das „Flicksync“-Konzept hinterlässt bis heute einen tiefen Eindruck bei Fans von „Ready Player One“. Allerdings ist es derzeit nicht technisch realisierbar. Dennoch ist das es absolut zukunftsweisend und könnte interaktive Filme entscheidend prägen.

Diese neuen Filmerlebnisse könnten Metaverse-Plattformen ermöglichen

Filme als Mittendrin-Erlebnis

Der Nutzer übernimmt die Rolle eines Zuschauers, um den herum sich die Ereignisse des Films entfalten. Er kann diese aus jeder erdenklichen Perspektive betrachten. Verlagern sich die Schauplätze des Films an neue Handlungsorte, kann er zu diesen springen.

Mittendrin-Erlebnis mit dynamischer Handlung

Hier ist der Spieler Teil der Welt des Films und hat die Möglichkeit, die Handlung des Films durch seine Aktionen zu beeinflussen. Hierbei könnte er wahlweise die Rolle einer Hauptfigur oder einer Nebenfigur übernehmen. Wie sich die Story des Films verzweigt und wie der Film endet, könnte durch vorgegebene Skripte oder durch hochentwickelte KI-Routinen bestimmt werden. Auch denkbar wäre, dass die Story in einem kompletten Fiasko enden könnte.

„Flicksync 2.0“

Seinem innovativen Ansatz zum Trotz ähnelt das „Flicksync“-Konzept in „Ready Player One“ stark einem klassischen Videospiel. Macht der Nutzer drei Fehler, während er die Rolle von Figuren aus dem Film nachspielt, heißt es „Game Over“. Um das Konzept zugänglicher zu machen, könnte ein „Flicksync 2.0“ dem Nutzer unendlich viele Chancen bieten. Zudem wäre möglich, dass der interaktive Film auch weiterläuft, wenn der Nutzer Fehler macht – und sich die Handlung gegebenenfalls auch in eine andere Richtung entwickeln könnte.

Filme als Multiplayer-Erlebnis

Hier könnten mehrere Metaverse-Nutzer gleichzeitig in eine Filmwelt eintauchen. Sie hätten dabei die Wahl, ob sie die Rolle eines Zuschauers oder Hauptdarstellers übernehmen möchten. Auch hier könnte die Möglichkeit bestehen, die Handlung des Films zu beeinflussen.

Eine solche Multiplayer-Erfahrung scheint dabei in erster Linie für Virtual-Reality-Geräte prädestiniert. Virtual Reality wird generell mit einem Isolationsgefühl verbunden, da VR-Brillen den Nutzer von der Außenwelt abkapseln. Interaktive Filme als Multiplayer-Erlebnis könnten somit den sozialen Aspekt eines Film- oder Kinoabends mit einer Virtual-Reality-Erfahrung kombinieren.

Mehr Diversität in Filmen dank virtueller Schauspieler?

Inklusion in Filmen ist ein vieldiskutiertes Thema. Auch hier könnte die Flexibilität, die virtuelle Schauspieler mit sich bringen, für Fortschritte sorgen. Ein virtuelles Ensemble würde dem Zuschauer erlauben, das Erscheinungsbild einzelner Figuren an die eigenen Vorlieben anzupassen.

Dank der zunehmenden Möglichkeit zur Stimmensynthese wäre auch ein Geschlechtertausch möglich. Ähnliche Konzepte finden sich bereits seit Jahrzehnten in Rollenspielen für Computer und Spielekonsolen.

Hier dürfen Spielerinnen und Spieler oft nicht nur das Erscheinungsbild und Geschlecht der Hauptfigur bestimmen. Zudem haben sie oft Einfluss auf zentrale Aspekte weiterer Hauptfiguren des Spiels, wie den Namen, die Charaktereigenschaften etc. Dieser Kniff ermöglicht dem Spieler, noch tiefer in die Spielwelt einzutauchen.

Wann werden unsere Filme interaktiv?

Die technischen Möglichkeiten, um Filme als frei erkundbare 3D-Welten darzustellen, werden in wenigen Jahren erreicht sein. Noch nicht abzusehen ist dagegen, wann der Stand der KI virtuelle Schauspieler ermöglichen wird, die dynamisch auf die Handlungen des Nutzers reagieren. Es ist möglich, dass die Entwicklung mit „Flickysnc“-ähnlichen Konzepten nach dem Vorbild von „Ready Player One“ beginnen wird. Welches Filmstudio den ersten Schritt wagen wird, wird sich zeigen.

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