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Etter & Partner über künstliche Intelligenz im Recruiting

Foto: iStock / stockasso

Künstliche Intelligenz im Recruiting: Fortschritt oder Gefahr?

Viele HR-Prozesse können durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz automatisiert und optimiert werden. Insbesondere im Recruiting bietet sich diese Möglichkeit. Doch während nur knapp 20 Prozent der Unternehmen KI-Elemente mit großer Vorsicht einsetzen, steigt die Akzeptanz der Bewerber gegenüber der Technologie zunehmend.

Verwendung von Recruiting-KI aus Sicht von Unternehmen und Bewerbern

Im Recruiting liegen oft große Mengen an digitalisierten Daten vor. Besonders Bewerbungsschreiben erreichen die Unternehmen heutzutage meist per Mail oder über unternehmenseigene Karriereportale. Das ist ein digitaler Weg, der die Automatisierung einiger Prozesse innerhalb des Recruitings bereits heute ermöglicht. Doch ein vollautomatischer Ablauf über „Robot Recruiter“ ist noch in weiter Ferne.

Laut einer Studie der Universität Bamberg nutzen jedoch lediglich drei Prozent der Unternehmen einen HR-Chatbot, der Bewerberanfragen beantwortet. Knapp 13 Prozent der Unternehmen setzen auf einen sogenannten Recommender, der als Empfehlungsprogramm fungiert. Er übernimmt die automatische Erstellung von Stellenausschreibungen und kann aus einem vorhandenen Pool von Talenten bereits passende Bewerber vorschlagen.

Gründe für die geringe Anwendungsfrequenz liegen laut Aussage der Unternehmen in der vermeintlich unsicheren Anwendung und der Angst vor gesetzlichen Konflikten.

Dabei sieht ein Gros der Bewerber den intelligenten Helfern im Recruiting durchaus positiv. Entsprechend der Recruiting-Trends erhofft sich ein Großteil der befragten Bewerber von KI-Systemen im Bewerbungsprozess zunächst eine schnellere Rückmeldung auf ihr Anschreiben. Hinzu kommen Vorteile, wie der aktive Vorschlag von vakanten Stellen in der Zukunft sowie die Möglichkeit der direkteren Kontaktaufnahme zum Unternehmen.

KI im Recruiting – das kann sie

Der Begriff KI bezieht sich in der Regel auf lernende Algorithmen, die selbstständig Muster und Gesetzmäßigkeiten in vorhandenen Datensätzen erkennen können. Damit können Wahrscheinlichkeitsvorhersagen für zukünftige Ereignisse berechnet werden.

Beispielsweise werden Daten über bestehende Mitarbeiter und deren Produktivität genutzt, um eine Vorhersage über die wahrscheinliche Produktivität von vorgestellten Bewerbern zu treffen. Damit werden nicht nur komplexe Zusammenhänge zwischen Unternehmensdaten und geforderten Bewerberqualifikationen automatisiert verknüpft, sondern auch die Personalauswahl erleichtert.

Darüber hinaus wird KI immer besser darin, Emotionen aus Stimme, Sprache und Gesichtsausdruck zu erkennen, um noch mehr Kompetenzmerkmale bei Bewerbern zu identifizieren.

Welche KI kommt im Recruiting zum Einsatz?

KI in der Personalsuche überzeugt schon heute mit einer hohen Vielseitigkeit. Die technologischen Möglichkeiten sind so ausgelegt, dass sie an allen Stufen der Personalrekrutierung zum Einsatz kommen können. In der Vielzahl der Ausführungen finden sich unter anderem:

Ausschreibungsoptimierungen

KI übernimmt in diesem Fall die Optimierung von Stellenanzeigen, unterbreitet Recruitern direkte Vorschläge für Jobkategorien, Jobbörsen und Keywords. Einige Chatbots bieten parallel dazu den Bewerbern individuelle Tipps und Empfehlungen für interessante Stellenangebote.

Bewerber-Erstkontakt

Chatbots können den Erstkontakt mit Kandidaten rund um die Uhr organisieren, auf häufig gestellte Fragen antworten oder Anfragen an entsprechende Mitarbeiter weiterleiten. CV-Parsing ermöglicht es dabei, relevante Daten automatisch aus Lebensläufen oder den Online-Profilen auszulesen und so eine Bewerberdatenbank aufzubauen, die nach bestimmten Eigenschaften oder Qualifikationen durchsuchbar wird.

Bewerberauslese

Matching-Anwendungen basierend auf künstlicher Intelligenz suchen geeignete Kandidaten oder treffen eine Vorauswahl, indem sie Anforderungsprofile oder Stellenbeschreibungen mit vorhandenen Daten abgleichen. Sie können den Recruitern auch Vorschläge machen, welche Fragen sie den Kandidaten im Vorstellungsgespräch stellen sollten, um deren Kompetenzen oder Fähigkeiten tiefer zu ergründen.

Weiterführende Programme erlauben diese Informationen auch über die Verbindung von Mimik und Gestik zur Sprache ableiten. Das setzt in der Recruiting-KI einen neuen Höhepunkt, da die aktive Verwendung damit innerhalb von persönlichen Gesprächen möglich wird.

Etter & Partner über KI im Recruiting

Insbesondere Personalverantwortliche bevorzugen Recruiting-KI-Verfahren, wie eine Studie von HR&C Human Resources und Change Management zeigt. Obwohl KI-Anwendungen im Personalbereich noch nicht weit verbreitet sind, genießt künstliche Intelligenz bei externen, personellen Dienstleister-Segment höchste Akzeptanz.

Jochen Etter, Personalberater für die Rekrutierung von Führungskräften in der Getränkebranche, setzt seit einigen Jahren z. B. im Bereich Assessments auf die Verwendung von KI in seinem Unternehmen. Für ihn stellt die technologische Unterstützung einen hohen Mehrwert dar. Er integriert die Matching-KI in einem wichtigen Schritt des Qualifikationsprozesses. Durch die Analyse von Mimik und Gestik zum gesprochenen Wort erhält der Personalberater umfangreiche Informationen zu seinen Kandidaten und kann so die bestmögliche Auswahl für die zu besetzende Vakanz treffen.

Während die KI seinen Alltag erleichtert, hat er aber immer ein Auge auf die korrekte Anwendung. „Jeder Kandidat muss der Verwendung der Technologie vorab zustimmen. Wer das nicht möchte, dem entstehen daraus natürlich keine Nachteile. Immerhin befinden wir uns mit der KI alle noch ganz am Anfang.“

Grenzen der Recruiting-KI

Allerdings gibt es auch Grenzen für den Einsatz von künstlicher Recruiting-Intelligenz. Da die Algorithmen eigenständig Zusammenhänge aufbauen, fällt es häufig schwer, die Ergebnisse nachzuvollziehen. Zudem hängen die Lernergebnisse stark von der Qualität der Trainingsdaten ab. Wenn zum Beispiel in der Vergangenheit mehr Männer als Frauen eingestellt wurden, können fehlerhafte und diskriminierende Algorithmen entstehen.

Aufgrund solcher Probleme ist es schwierig zu beurteilen, ob eine KI-Lösung den eigenen Qualitätsansprüchen dauerhaft nachkommen kann. Vor der Einführung einer KI-Lösung im Recruiting sollte daher sorgfältig geprüft werden, ob und wie vorhandene Daten verwendet und welche Schlussfolgerungen das System daraus zieht.

Ebenso wichtig: Fundierte Informationen über die Funktionsweise und das Training der verwendeten Algorithmen zu haben, um ihren Nutzen, ihre Qualität und ihre Rechtssicherheit einzuschätzen.

KI, Ethik und Gesetz

Der Einsatz von Recruiting-KI wirft auch ethische Fragen auf. Der Ethikbeirat HR Tech hat in Eigeninitiative Richtlinien für den verantwortungsvollen Einsatz von KI im Personalmanagement entwickelt. Unter anderem beschreiben diese Grundsätze einige essenzielle Gegebenheiten, die bei KI-Integration nicht in Vergessenheit geraten dürfen:

  • Finale Personalentscheidungen werden durch Menschen getroffen.
  • HR bedient die KI als Assistenzprogramm.
  • Jede KI-Verwendung ist gegenüber der absoluten Notwendigkeit abzuwägen.

Zudem müssen beim Einsatz von Robot Recruiting und künstlicher Intelligenz über die üblichen Datenschutzbestimmungen hinaus enge Vorschriften beachtet werden, insbesondere wenn es um persönliche Daten von Mitarbeitern und Kandidaten geht. Es ist daher unerlässlich, die rechtlichen Rahmenbedingungen im Einzelfall zu prüfen.

Zu den allgemeinen Aspekten, die dabei zu beachten sind, zählen:

  • die Einwilligung zur Verwendung der Daten
  • die Einhaltung des Verwendungszwecks gemäß der Einwilligung
  • die Freiwilligkeit der Einwilligung (was in Bewerbungssituationen oft nicht gegeben ist)
  • die Einhaltung geltender Normen wie der DIN 33430 für Eignungsbeurteilungen.

Auch die EU-Kommission trägt nun mit einer geplanten Verordnung zu mehr Sicherheit im Umgang mit KI bei. Damit soll die Grundlage entstehen, dass eine eindeutige Klassifizierung der am Markt gängigen Tools vorgenommen werden kann. Da vor allem im Recruiting Social-Scoring, die Bewertung des menschlichen Verhaltens, zum Einsatz kommt, soll eine klare Richtlinie die Verwendung der KI einstufen.

Dieses Vorreitermodell eines KI-Gesetzes kann den Grundstein für die Übernahme in allen Bereichen der Welt legen, um einen fairen und sicheren Umgang mit der künstlichen Intelligenz zu ermöglichen, ohne den technischen Fortschritt zu bremsen.

Recruiting-KI wächst weiter

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Recruiting wird sich voraussichtlich weiter etablieren, insbesondere in heute noch vorsichtigen Unternehmen mit einem hohen Bedarf an Mitarbeitern oder bei der Suche nach spezialisierten Fachkräften.

KI-Algorithmen tragen in ihrer Ausprägung dazu bei, dass eine große Anzahl von Bewerbungen zügig mit den Stellenanforderungen abgleichbar ist und den Kandidaten zeitnah eine qualifizierte Rückmeldung gibt. KI sucht in Foren und Netzwerken nach Fachleuten mit den benötigten Qualifikationen auch über Ländergrenzen hinweg. Der Markt für KI-Anwendungen im Recruiting entwickelt sich stetig weiter und gewinnt an Zuspruch, was eine stabile Rechtsgrundlage erforderlich macht.

Denn nur auf einer geregelten Basis wird die Kooperation von KI und Mensch dauerhaft das Recruiting auf ein neues, sicheres Level anheben.

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