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Paintball: Das Geräusch von Farbe

Foto: iStock / kadm

Paintball: das Geräusch von Farbe

Ausdauer, ein guter Überblick und Zielgenauigkeit: Paintball verlangt Körper und Geist viel ab. Wer sich der sportlichen Herausforderung stellt, begibt sich auf einen Adrenalin-Trip mit 20 Zentimetern Sichtfeld und 250 Stundenkilometer schnellen Farbkugeln. Nichts für schwache Nerven …

Meine Oberschenkel brennen wie Feuer. Jeder Muskel ist zum Zerreißen gespannt. Unter der schwül-warmen Maske bahnt sich eine Schweißperle nach der nächsten ihren Weg zum Kinn. Mein Blick huscht zu dem weißen Transporter. Dann kommt das Signal: „3 – 2 – 1 – LOS!“ Geduckt spurte ich aus der Deckung, werfe mich schnell hinter eine mannshohe Palette. Schon schlagen die ersten Schüsse haarscharf neben mir im Holz ein. Mist, sie haben mich entdeckt!

Von Farbkugeln und Markierern

Als ich eine halbe Stunde zuvor nach Hamburg-Bramfeld fahre, ist der Tag eigentlich viel zu schön, um ihn in einer Halle zu verbringen – und dort Paintball zu spielen. Bei dem Mannschaftssport geht es darum, ein gegnerisches Team mit Farbkugeln abzuschießen. Dazu verwenden die Spieler Druckluftgewehre, sogenannte Markierer. Diese feuern die Kugeln mit einer Geschwindigkeit von etwa 250 Stundenkilometer ab. Beim Aufprall zerplatzen die Geschosse aus Gelatine und „markieren“ so den Getroffenen. Wen die flinken Kugeln treffen, der muss das Feld verlassen. Der einzige Schutz: Deckungen wie Bäume, Busse oder Holzpaletten.

Die Inhaber des City Paintball Hamburg haben sich als Gelände ein altes Fabrikgebäude ausgesucht. Eine düstere Steintreppe führt direkt in den ersten Stock. Hinter einer schweren Metalltür begrüßen mich drei junge Mitarbeiter mit einem freundlichen „Moin“. Da ich allein gekommen bin, muss ich zunächst eine Gruppe finden, der ich mich anschließen kann.

Die fünf Jungs auf Betriebsausflug haben nichts dagegen – das Team hätte ich also schon mal. Die meisten sind Anfänger. Einer von ihnen, Jason, spielt ab und zu mit seinem Vater. „Machbar“, denke ich mir. Was ich zu dem Zeitpunkt noch nicht weiß: Sein Vater spielt in der Deutschen Paintball Liga. Schnell lege ich mir noch einen viel zu leicht wirkenden Brustpanzer an und schlüpfe in den blauen Overall, der mich vor der Farbe schützen soll – vor mehr aber auch nicht.

Letzte Vorbereitungen

Am Tresen gibt uns Mitarbeiter Aendi eine Sicherheitseinweisung und erklärt die Spielregeln. „Alles verstanden?“ Ich hoffe ja – und schnappe mir den Markierer samt 200 Farbkugeln, kurz Paints genannt. Die Gruppe hat das Feld House Camp gebucht: ein niedriger, weitläufiger Raum, auf dem Paletten, ein Kleintransporter und Häuserecken Schutz versprechen. Ich setze meine Schutzmaske auf – mein Sichtfeld verengt sich auf beunruhigende 20 Zentimeter – und betrete das Spielfeld.

Aendi ist einer von insgesamt 10 Mitarbeitern in der Anlage des City Paintball Hamburg. Mitbegründer Andreas Kuchacz erinnert sich an den langwierigen Prozess, der hinter der Paintball-Genehmigung steckt: „Hamburg hat sich sehr lange gegen die Paintball-Halle gesträubt. Die Stadt ist relativ konservativ, auch was die Regierung anbelangt.

Man wollte es einfach nicht.“ Da die Markierer in Deutschland unter das Waffengesetz fallen, sind die Vorschriften beim Paintball sehr streng. Auch die Standortsuche sei nicht ganz einfach gewesen, sagt Kuchacz. Drei Jahre habe es gedauert, bis die Anlage am 5. Oktober 2013 eröffnet wurde. Und die wird seitdem gut besucht.

Lasst das Spiel beginnen!

Als ich das Spielfeld betrete, schmatzt der farbig-klebrige Boden bei jedem Schritt. Beide Teams ziehen sich in ihre Sicherheitszonen zurück, ein Bereich, in dem nicht geschossen wird und der als eine Art Basis dient. Als wir auf das Startsignal warten, zieht sich mein Magen zusammen.

Ich habe Angst – Angst vor der ersten Farbkugel, die mich trifft. „Das kann schon ordentlich zwiebeln“, hallen Aendis Worte in meinem Kopf nach. Ich höre, wie sich mein Atem beschleunigt. Fühle, wie ihn die doppeltverglaste Schutzmaske feuchtwarm in mein Gesicht zurückwirft. Der Markierer wiegt schwer in meinen Händen, gibt mir dadurch aber ein Gefühl von Sicherheit. Vorsichtig entsichert mein Zeigefinger das Gewehr und legt sich dann über den Abzug. „3 – 2 – 1 – LOS!“

Mit 200 Bar schießen die ersten Paints lärmend aus den Markierern – und das Blut durch meinen Kopf. Hastig suchen meine Blicke die Deckungen nach Gegnern ab. Fatz! Schon schießt eine Farbkugel knapp an meiner Maske vorbei. Gekonnt rollt sich Jason nach diesem Schuss über die Schulter ab und verschwindet hinter der nächsten Deckung. Ganz offensichtlich hatte er mit seinem Vater einen guten Lehrer.

Irgendwie muss auch ich mich näher an meine Gegner heranpirschen, um sie mit einem gezielten Schuss vom Spielfeld zu befördern. Ich presse mich also dicht an eine Holzpalette, halte kurz inne, sprinte in Richtung Transporter und – Zack! Getroffen. Gelbe Farbe auf meinem Overall, blauer Fleck auf meinem Oberschenkel.

Da Fairness im Paintball oberstes Gebot ist, rufe ich laut „Treffer!“ und gehe zurück in die Sicherheitszone. Kurz darauf wird ein weiteres Team-Mitglied getroffen und rennt schimpfend zu mir. „Mist, voll in die Fresse!“ Ich muss lachen als ich die gelbe Farbe auf seiner Maske sehe, die es durch die Atemschlitze bis in seinen Mund geschafft hat. In dem Moment merke ich: Verdammt, das macht ja richtig Spaß!

Im Kugelhagel und Adrenalinrausch

Dass Paintball zudem keine Altersgrenzen kennt, bewies eine Gruppe rüstiger Senioren, die auf der Hamburger Anlage den Junggesellenabschied ihres 74-jährigen Freundes feierten. Kuchacz erinnert sich noch gut: „Die meisten buchen bei uns telefonisch. Wenn dann plötzlich acht Personen im Alter zwischen 70 und 80 Jahren reinkommen und ihren Junggesellenabschied feiern wollen, ist das natürlich eine große Überraschung.“

Und die Senioren-Gruppe setzte noch einen drauf: „Sobald man ihnen die Markierer in die Hand gab, waren sie keine Senioren mehr, sondern frische 18 Jahre jung. Die waren total wild und sind schreiend durch die Gegend gelaufen“, erinnert er sich und lacht.

Bis unsere Munition aufgebraucht ist, spielen wir acht Runden – und die werden zunehmend strategischer. Ich gewöhne mich an das eingeschränkte Sichtfeld und an die schweißnasse Kleidung, erkenne Vor- und Nachteile mancher Deckungen und werde dabei vor allem eins: mutiger.

Das Adrenalin hilft dabei, den Gegner zu fokussieren und Risiken abzuwägen. Als ich am Ende das Spielfeld verlasse und die klebrige Maske von meinem Gesicht schäle, spüre ich die blauen Flecken nicht mehr. Dafür spüre ich etwas anderes: Stolz und Euphorie – und das sichere Gefühl, dass das nicht mein letztes Paintball-Spiel gewesen ist.

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