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Einsteins Gehirn: Was das Hirn eines Genies von anderen unterscheidet

Foto: Associated Press

Einsteins Gehirn: Was das Hirn eines Genies von anderen unterscheidet

Was unterscheidet Einsteins Gehirn von dem anderer Menschen? Warum das genialste Denkorgan der Welt in einem Mayonnaise-Glas schwamm.

Nachdem Albert Einstein an einer geplatzten Baucharterie gestorben war, wurde er schon am folgenden Nachmittag in Trenton im US-Bundesstaat New Jersey eingeäschert. Die Asche wurde an einer geheimen Stelle des Delaware River verstreut. Doch nicht jeder Partikel des Physikers wurde im Wind verweht.

Am Morgen desselben Tages unterzog man Einsteins Leiche einer Obduktion in dem Krankenhaus, in dem er gestorben war. Nachdem der Pathologe Dr. Thomas Harvey die Untersuchung der inneren Organe abgeschlossen hatte, wandte er sich dem Gehirn zu.

Geheimes Forschungsprojekt: Pathologe stahl Einsteins Gehirn

Nach ein paar Schnitten hob Harvey das berühmteste Gehirn des Jahrhunderts aus dem Schädel – und behielt es. Sein Ziel: Mögliche Unterschiede zwischen Einsteins Gehirn und dem von anderen Menschen herauszufinden. In Formaldehyd konserviert und in mehr als 1000 Scheiben geschnitten, begleitete das Gehirn Harvey zu jedem neuen Job, den er in den Bundesstaaten New Jersey, Kansas, Missouri und schließlich wieder in New Jersey antrat.

Es wurde in seinem Einmachglas mal in Umzugskisten verstaut, mal unter Kühlboxen für Bier. Die wenigen Wissenschaftler, denen Harvey in den ersten Jahren Proben anvertraute, konnten nichts Ungewöhnliches entdecken. 

Schnelle Fortschritte in der Hirnforschung

Ende des 20. Jahrhunderts jedoch erlebte das Interesse an der Hirnforschung einen nie dagewesenen Aufschwung. Der Hirnforscherin Marian Diamond gelang es, Harvey davon zu überzeugen, dass die Hirnproben bei ihr in guten Händen wären. 1983 gingen mehrere Stücke des Gehirns – in einem Mayonnaise-Glas schwimmend – endlich in der Poststelle von Diamonds Universität ein.

Als sie die Glia- und Nervenzellen in den Proben mühsam zählten, stellten Diamond und ihre Helferinnen und Helfer fest, dass Einstein tatsächlich mehr Gliazellen pro Nervenzelle besessen hatte als Menschen mit einem durchschnittlichen Gehirn. Gliazellen sind Teil des Nervengewebes und damit des Nervensystems. Sie leiten Signale, sind bei Stoffwechselprozessen und der Immunabwehr involviert.

Das perfekte Rechenhirn

Statistisch signifikant war der Unterschied allerdings nur in einem Abschnitt des linken unteren Scheitellappens. Die ist ein Bereich, der neben dem Rechnen auch bei der Verarbeitung visueller Reize und dem Verstehen komplexer Zusammenhänge eine wichtige Rolle spielt. Dort verfügte Einsteins Gehirn über 73 Prozent mehr Gliazellen als die Gehirne der Kontrollgruppe. Am meisten Aufsehen erregte jedoch eine Studie, die im Jahr 1999 veröffentlicht wurde.

Diesmal erhielt die Hirnforscherin Sandra Witelson Zugang zu etwas, von dessen Existenz ihre Vorgänger nicht einmal gewusst hatten: Fotos von Einsteins Gehirn, bevor es in Scheiben geschnitten worden war. Witelson fiel auf, dass Einsteins Scheitellappen (im oberen hinteren Bereich des Gehirns) um etwa 15 Prozent breiter war als bei anderen üblich. 

Alles in allem, spekulierte Witelson, ermöglichte der Aufbau von Einsteins Gehirn ihm eine bessere neuronale Vernetzung in Bereichen, die für visuelle, räumliche und mathematische Verarbeitungsprozesse wichtig waren. Bis heute stehen Einsteins Gehirnproben für Studienzwecke zur Verfügung. Welchen wissenschaftlichen Wert sie noch haben, ist jedoch ungewiss. Nach Jahrzehnten der Lagerung und mehreren Transporten quer durch das Land liegt die Bedeutung des Gehirns wohl vor allem darin, dass es an diesen berühmten Mann erinnert.

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