Welt der Wunder

Nicht glauben, sondern wissen

Wie sich die Eltern-Kind-Beziehung auf die persönliche Entwicklung auswirkt

Foto: Envato / halfpoint

Wie sich die Eltern-Kind-Beziehung auf die persönliche Entwicklung auswirkt

Wie gut und stabil die emotionale Bindung eines Kindes zu seinen Eltern ist, entscheidet maßgeblich darüber, wie sich die Persönlichkeit des Kindes entwickelt. Somit hat die Ausprägung der Eltern-Kind-Beziehung für das gesamte Leben Relevanz.

Bindung als Bedürfnis

Der Mensch hat ein angeborenes Bedürfnis, eine enge Bindung zu seinen Mitmenschen aufzubauen. Diese Bindung findet auf emotionaler Ebene statt, beruht auf Gegenseitigkeit und ist lang andauernd.

Die frühste zwischenmenschliche Beziehung ist in der Regel die zwischen einem Neugeborenen und seinen Eltern, anfangs besonders zur Mutter. Die ersten sechs Monate kann das Baby nicht einmal zwischen sich selbst und seiner Mutter unterscheiden, sprich es begreift sich als ein Teil von ihr.

Die Bindung zu den Eltern und/oder anderen primären Bezugspersonen baut sich innerhalb der ersten Lebensjahre des Kindes aus. Vor allem in dieser Zeit ist ein Kind völlig auf seine engsten Bezugspersonen, in der Regel die Eltern, angewiesen. Ihr Verhalten gegenüber dem Nachwuchs, etwa in Bezug auf Nähe und Distanz, sowie ihr Erziehungsstil sind daher für die Eltern-Kind-Beziehung und damit für Entwicklung des Kindes elementar.

Bindungsverhalten und Bindungstypen

Der britische Psychoanalytiker, Kinderarzt und Kinderpsychiater John Bowlby hat in den 1950er Jahren begonnen, zum Thema Bindung in Familien zu forschen, und hat die Bindungstheorie entwickelt. Sie beschreibt die Entstehung und mögliche Veränderungen des Bindungsverhaltens und war die Grundlage für viele weitere Forschungen.

Die zwischenmenschliche Qualität der Eltern-Kind-Beziehung lässt sich daran messen, welches Bindungsverhalten eine Person zeigt. Somit ist das Bindungsverhalten das Ergebnis der erlebten frühkindlichen Interaktion mit Bezugspersonen.

Mary Ainsworth hat in Bezug auf die Bindungstheorie den sogenannten Fremde-Situation-Test entwickelt. Aufgrund der Ergebnisse werden vier Bindungstypen unterschieden:

  1. Sichere Bindung: Sicher gebundene Kinder weinen oder schreien, wenn die Bezugsperson den Raum verlässt, und suchen bei ihrer Rückkehr Körperkontakt.
  2. Unsicher-vermeidende Bindung: Kinder dieses Typs zeigen keinerlei Reaktion und Emotion, wenn die Bezugsperson den Raum verlässt oder wiederkommt.
  3. Unsicher-ambivalente Bindung: In dem Fall verursacht die Trennung von der Bezugsperson eine extreme Verunsicherung und die Kinder werden von Trennungsschmerz überwältigt. Sie klammern sich an die Bezugsperson, wenn sie den Raum wieder betritt, und lassen sich trotzdem kaum beruhigen.
  4. Unsicher-desorganisierte Bindung: Die Kinder können mit der Trennungssituation nicht umgehen, wenn die Bezugsperson den Raum verlässt. Gefühle wie Angst überfordern sie und sie erstarren.
Wie sich die Eltern-Kind-Beziehung auf die persönliche Entwicklung auswirkt: Gemeinsames Picknick und Spiele
Foto: Envato / GabiStock

Positive Effekte einer starken Eltern-Kind-Beziehung

Eine stabile und starke Eltern-Kind-Beziehung wirkt sich in vielfacher Hinsicht positiv auf die Entwicklung des Kindes und seiner Persönlichkeit aus.

Eine gesunde Kindesentwicklung

Eine gute Eltern-Kind-Beziehung ist die Basis dafür, dass sich ein Kind rundum gesund entwickeln kann. Dieser Zusammenhang zwischen einer sicheren und starken Bindung zu den Bezugspersonen und einer positiven sozialen, emotionalen und kognitiven Entwicklung von Kindern konnte bereits in mehreren Studien belegt werden.

Das hängt damit zusammen, dass Kleinkinder nur in Anwesenheit einer Bezugsperson, also in einer sicheren sozialen Umgebung, Explorationsverhalten (Erkundungsverhalten) zeigen. Zudem braucht es für eine gesunde, ungestörte Entwicklung des Kindes in den ersten Lebensjahren die Wahrnehmung und Erfüllung seiner Grundbedürfnisse und Empathie.

Sicher gebundene Kinder gelten gegenüber Kindern mit einer weniger guten Eltern-Bindung beispielsweise als selbstsicherer, kreativer, flexibler, empathischer und aufgeschlossener gegenüber neuen Sozialkontakten. Zudem haben sie eine längere Aufmerksamkeitsspanne, eine bessere Sprachentwicklung und Gedächtnisleistung.

Regulierung der Affekte

Kinder, die mit einer sicheren Bindung zu den Eltern und anderen Bezugspersonen aufwachsen, erlernen die Fähigkeit, ihre Affekte angemessen zu regulieren. Sie können ihre Gemütsregungen unter Kontrolle halten und haben die Fähigkeit, sich selbst und ihre eigenen Bedürfnisse zugunsten eines späteren größeren Nutzens zu beherrschen. Die Affektkontrolle gilt daher als wichtiger Baustein emotionaler Intelligenz.

Fähigkeit zur Beziehung

Die Eltern-Kind-Beziehung ist in der Regel die erste soziale Beziehung eines Menschen und legt damit den Grundstein für seine spätere Beziehungsfähigkeit. Ist diese Bindung stark und von positiven Emotionen und Erfahrungen geprägt, wird das Kind in der Lage sein, auch zu anderen Menschen eine soziale Beziehung aufzubauen.

Bewältigung kritischer oder stressiger Lebenssituationen

Eine starke Eltern-Kind-Beziehung ist zudem eine Art Schutzfaktor: Sie trägt maßgeblich dazu bei, kritische Lebenssituationen und negative Erlebnisse zu bewältigen, weil die Eltern beziehungsweise die Familie als sozialer und emotionaler Rückhalt dienen und das Zuhause als sicherer Rückzugsort empfunden wird.

Kinder können bei Problemen das Gespräch mit den Bezugspersonen suchen und gemeinsam mit ihnen eine Lösung finden oder zumindest Halt, Mitgefühl und Trost erwarten. Dadurch lassen sich etwa größere psychische Krisen verhindern. Insgesamt sind Kinder mit einer starken Bindung zu den Eltern in Stresssituationen widerstandsfähiger beziehungsweise weisen sie eine höhere Resilienz auf.

Wie sich die Eltern-Kind-Beziehung auf die persönliche Entwicklung auswirkt: Gemeinsam spazierengehen
Foto: Envato / RossHelen

Faktoren für eine starke Eltern-Kind-Beziehung

Eine gute Eltern-Kind-Beziehung hat viele positive Effekte auf die Entwicklung eines Kindes. Allerdings entsteht sie nicht von selbst. Das erfordert aktives Handeln – und zwar in mehrfacher Hinsicht. Denn es sind unterschiedliche Faktoren, die eine starke Bindung zwischen Eltern und Kind ausmachen.

Das Gefühl der Zusammengehörigkeit

Ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb einer Familie sorgt dafür, dass selbst heftige Auseinandersetzungen der Eltern-Kind-Beziehung nicht nachhaltig schaden können. Folgende Maßnahmen fördern die Zusammengehörigkeit:

  • Gemeinsame Aktivitäten: Wenn ein Kind das Gefühl hat, dass seine Eltern ihm nicht genügend Aufmerksamkeit schenken, kann dies tiefe Spuren hinterlassen, welche die Eltern-Kind-Beziehung bis ins Erwachsenenalter belasten – vielleicht sogar zu einem Bruch mit den Eltern führen. Alltägliche Beschäftigungen wie das (Vor-)Lesen, Spielen oder das gemeinsame Erledigen der Hausaufgaben sind wertvolle „Quality Time“, um die Bindung mit den Kindern zu stärken.

Ebenso wichtig sind gemeinsame Aktivitäten, um den Familienzusammenhalt zu fördern. Das können Reisen sein – beispielsweise in der Elternzeit, in den Schulferien oder über ein verlängertes Wochenende – sowie Ausflüge in die Natur oder in Freizeitparks. Zusammen zu backen, zu basteln oder einem sportlichen Hobby nachzugehen, sind weitere Möglichkeiten.

  • Kinder aktiv in das Familienleben einbinden: Eltern sollten ihrem Kind vermitteln, dass es ein wichtiger Teil der Familie ist, indem sie es aktiv eingebunden werden. Das kann das Übertragen von kleinen, altersgerechten Aufgaben im Haushalt sein, Hilfe bei der Gartenarbeit oder das Mitspracherecht, wohin der nächste Urlaub oder Ausflug gehen soll.
  • Dem Kind Wertschätzung entgegenbringen: Sie ist der Schlüssel zu harmonischen Beziehungen. Liebevolle und anerkennende Worte, aber auch Liebkosungen und Gesten wie das Erfüllen eines Wunsches drücken Wertschätzung aus.
  • Einen offenen und ehrlichen Umgang fördern: Um das „Wir-Gefühl“ auf der emotionalen Ebene zu stärken, sind Offenheit und Ehrlichkeit das A und O. Welche Informationen die Eltern mit dem Kind teilen, muss dem Alter angemessen sein. Je älter der Sohn oder die Tochter wird, desto mehr kann innerhalb der Familie offen angesprochen werden.

Ebenso ist es wichtig, nicht übereinander zu urteilen und sich Fehler zu verzeihen. Dadurch lassen sich Konflikte frühzeitig lösen, anstatt unterschwellig zu brodeln, und das Kind lernt, dass es bedingungslos geliebt wird. 

  • Zugehörigkeit nach außen symbolisieren: Das Kind in der Öffentlichkeit an die Hand zu nehmen, bedeutet einerseits Sicherheit – beispielsweise in größeren Menschenmengen, bei einem Spaziergang und wann immer das Kind die sichere Hand der Eltern sucht. Andererseits ist es ein Zeichen der Zugehörigkeit.

Auch ein Partnerlook ist eine schöne Geste, um Zusammengehörigkeit auszudrücken. Viele Kinder orientieren sich modisch ohnehin an ihren Eltern – zumindest in jungen Jahren – und tragen dadurch automatisch gerne ein ähnliches Outfit. Das bedeutet nicht, dass es exakt das Gleiche tragen muss, aber ein stimmiger Gesamt-Look ist durchaus erlaubt. Dabei kommt es unter anderem auf aufeinander abgestimmte Farben, Muster und Materialien an.

Wie sich die Eltern-Kind-Beziehung auf die persönliche Entwicklung auswirkt: Gemeinsam Sport treiben
Foto: Envato / kegfire

Emotionen als Schlüsselfaktor

Eine gute Eltern-Kind-Beziehung findet vor allem auf der emotionalen Ebene statt. Denn der äußere Schein gleicht nicht immer dem inneren Empfinden. Eltern und Kinder, die vordergründig eine gute Beziehung haben, tragen möglicherweise unterschwellige Konflikte aus. Demgegenüber besteht manchmal eine sehr enge Bindung, obwohl das Kind gerade in der Pubertät ist und sich nicht öffentlich mit seinen Eltern zeigt.

Anzeichen für eine enge und positiv geprägte Bindung sehen wie folgt aus:

  • Die Gefühle des Kindes werden ernst genommen: Aus der Erwachsenenperspektive handeln Kinder nicht immer rational. Sie sind vor allem in den ersten Lebensjahren durch Emotionen gesteuert und reagieren manchmal über. Trotzdem ist es wichtig, dass sie sich von ihren Eltern ernst genommen fühlen.

Ansonsten entsteht Frust, der in immer heftigeren Gefühlsausbrüchen enden und somit in einen regelrechten Teufelskreis führen kann. Genauso wichtig ist es, dass die Eltern ihre Emotionen wahrnehmen und äußern. So lernt das Kind, die Gefühle anderer zu respektieren.

  • Das Kind erfährt ehrliches Mitgefühl: Das Leben bringt immer wieder Herausforderungen mit sich. Diese können verschiedenste Formen annehmen und bereits in der Kindheit auftreten, beispielsweise Schmerzen, Ängste, Liebeskummer, Frustration oder andere kleinere sowie größere Probleme.

Nicht immer können diese auf Anhieb gelöst werden. Worauf es für eine starke Eltern-Kind-Beziehung wirklich ankommt, sind ehrliche Anteilnahme, ehrliches Mitgefühl sowie die Ermutigung, die Probleme selbst zu lösen. Dadurch entwickeln Kinder ein hohes Maß an Resilienz – eine wichtige Basis für ein erfolgreiches und glückliches Leben.

  • Das soziale Leben ist von positiven Emotionen geprägt: Eine gute Eltern-Kind-Beziehung zu haben, bedeutet, dass diese positiv geprägt ist. Die Kindheit soll unbeschwert sein und zu einer schönen Erinnerung werden, an die sich das Kind als Erwachsener gerne zurückerinnert. Dazu tragen gemeinsames Lachen, Herumblödeln und spaßbringende Aktivitäten als Familie bei.

Natürlich ist es auch wichtig, Grenzen zu setzen oder Konflikte auszutragen. Doch solange das Positive überwiegt, wird die Eltern-Kind-Beziehung dadurch nicht negativ beeinflusst. Überwiegen hingegen negative Emotionen wie Wut, Enttäuschung oder Angst, ist diese Bindung gefährdet.

  • Das Kind erfährt bedingungslose Liebe: Der wichtigste Punkt für eine starke emotionale Bindung ist bedingungslose Liebe. Das Kind muss sich durch seine Eltern geliebt fühlen, und zwar immer – das gilt auch im Streit, in schwierigen Entwicklungsphasen oder wenn das Kind einen Fehler gemacht hat. Nichts darf die Liebe der Eltern für das Kind infrage stellen.

Das Kind sollte sich nie dafür schämen, es selbst zu sein. Stattdessen sollte es jederzeit Wertschätzung und Unterstützung durch die Eltern erhalten. Dazu gehört es, für das Kind da zu sein, und es zu verteidigen, wann immer es nötig ist. Zudem sollten Eltern vor anderen Personen nur gut über ihre Kinder sprechen, insbesondere in deren Anwesenheit.

Liebesentzug darf hingegen niemals als Strafe eingesetzt werden, denn er richtet einen großen sowie nachhaltigen Schaden an. Nicht nur für die Eltern-Kind-Bindung, sondern für die gesamte Entwicklung des Kindes.

Wie sich die Eltern-Kind-Beziehung auf die persönliche Entwicklung auswirkt: Gemeinsam backen
Foto: Envato / gpointstudio

Rituale im Familienalltag

Zuletzt spielen Rituale eine wichtige Rolle. Sie sind für jedes Kind wertvoll, denn sie bieten Stabilität im Alltag und damit ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit. Zudem stärken solche Rituale oder Familientraditionen den Zusammenhalt. Sie wecken Vorfreude und werden vom Kind oft ein Leben lang übernommen – vielleicht irgendwann an die eigenen Kinder weitergegeben.

Hierbei kann es sich um die abendliche Gute-Nacht-Geschichte handeln, um das Plätzchenbacken vor Weihnachten, um die Frage nach dem Schultag beim Mittagessen oder um eine Umarmung am Morgen.

Faktoren für eine schwache Eltern-Kind-Beziehung

Neben den Faktoren, die die Bindung zwischen Eltern und ihrem Kind stärken, gibt es auch solche, die das Gegenteil bewirken. Folgende Punkte werden als Risikofaktoren in Bezug auf die Eltern-Kind-Beziehung gewertet:

  • verminderte Verfügbarkeit bzw. Trennung der Bindungspersonen
  • Vernachlässigung des Kindes durch die Eltern
  • körperliche und/oder verbale Gewalt in der Familie bzw. gegenüber dem Kind
  • ständige Disharmonie zwischen den Eltern

Negative Auswirkungen einer mangelhaften Bindung

Eine unsichere Bindung zwischen Eltern und Kind kann verheerende Auswirkungen auf die Entwicklung und das Verhalten des Kindes haben.

Entwicklungsschäden

Kinder, die keine gute Bindung zu ihren Bezugspersonen aufbauen konnten, weisen Entwicklungsdefizite auf. Das betrifft beispielsweise Kinder, die früh von ihren Eltern getrennt wurden und in keinem adäquaten Ersatzmilieu aufgewachsen sind, sowie solche, bei denen zumindest ein Elternteil an Depressionen leidet. Daher bleiben emotionale Reaktionen auf die kindlichen Signale und ausreichende Stimulationen des Säuglings aus.

Zudem prägen frühkindliche Erfahrungen das Neuronen-Netzwerk im Gehirn: Vor dem dritten Lebensjahr ist der Hippocampus noch nicht voll ausgereift, weswegen keine reproduzierbaren Erinnerungen an diese Zeit möglich sind. Erfahrungen werden aber im impliziten Gedächtnis unbewusst abgespeichert und wirken sich somit durchaus auf die Persönlichkeitsentwicklung aus.

Negative Erfahrungen können zum Beispiel Angststörungen oder eine verminderte soziale Kompetenz hervorrufen. Generell haben unsicher gebundene Kinder wenig Vertrauen in sich und ihre Fähigkeiten und sind psychisch labiler.

Erlebt ein Kind emotionale Vernachlässigung oder gar Gewalt durch die Bezugsperson(en), können anhaltende Beziehungstraumata entstehen. Das ist vor allem bei wiederholt auftretenden Erfahrungen dieser Art der Fall.

Wichtig: Etwa 40 bis 70 Prozent aller Mütter leiden nach der Geburt an depressiven Verstimmungen, dem sogenannten „Baby Blues“. Dieser klingt normalerweise nach wenigen Tagen von selbst wieder ab, sobald sich der Hormonhaushalt reguliert hat, und gilt nicht als psychische Erkrankung. Anders als die postnatale Depression, auch als Wochenbettdepression bezeichnet. Sie ist eine ernst zu nehmende Depression, die behandlungsbedürftig ist. Ein langanhaltender oder gar dauerhafter depressiver Zustand kann die Bindung zum Kind gefährden.

Wie sich die Eltern-Kind-Beziehung auf die persönliche Entwicklung auswirkt: Mutter und Kind
Foto: Envato / ORION_production

Höhere Anfälligkeit für Frust und Aggression

Frühkindliche Traumata oder Stress durch Trennungserlebnisse und ähnliche negative Situationen und die daraus resultierende gestörte Entwicklung des Gehirns wirken sich außerdem auf die Fähigkeit zur Affektregulation und der Bewältigung von Stresssituationen aus.

Das äußert sich zum Beispiel in Form von Stimmungsschwankungen, Wutanfällen und einer niedrigen Frustrationstoleranz. Sie können mit schweren Niederlagen und Krisen nicht umgehen. Dadurch besteht eine höhere Wahrscheinlichkeit, eine psychische Erkrankung zu erleiden.

Gestörtes Bindungsverhalten

Die eingangs genannten Bindungstypen machen deutlich, dass das Bindungsverhalten zwischen Kindern und ihren Bezugspersonen bei einer unsicheren Beziehung gestört werden kann. Es gibt verschiedene Ausprägungen eines gestörten Bindungsverhaltens, zum Beispiel:

  • Fehlendes Bindungsverhalten: Die Kinder zeigen keinerlei Bindung zu ihrer Bezugsperson.
  • Undifferenziertes Bindungsverhalten: Kinder mit einem undifferenzierten Bindungsverhalten unterscheiden nicht zwischen Bezugspersonen und Fremden. Sie nutzen wahllos Personen als Vertrauensperson.
  • Übersteigertes Bindungsverhalten: In diesem Fall klammern sich Kinder sehr stark an ihre Bezugspersonen, sind extrem auf sie fokussiert und nur in ihrer Nähe emotional beruhigt.
  • Gehemmtes Bindungsverhalten: Die betroffenen Kinder sind extrem angepasst und reagieren nicht auf eine Trennungssituation. Sie zeigen ihre Gefühle eher fremden Personen als der Bezugsperson.
  • Aggressives Bindungsverhalten: Kinder äußern ihr Bedürfnis nach Bindung durch körperliche und/oder verbale Aggression.

Wichtig: Ein gestörtes Bindungsverhalten zeigt sich nicht zwingend schon während der Kindheit, sondern möglicherweise erst später im Leben.

Negative Erlebnisse werden übertragen

Wer in seiner Kindheit belastende oder gar traumatische Ereignisse erlebt hat, etwa in Bezug auf die Eltern-Kind-Beziehung, kann diese später unbeabsichtigt auf den eigenen Nachwuchs übertragen.

Das Weinen oder andere Verhaltensweisen des Kindes kann die Eltern derart in Stress versetzen, dass Gefühle aus der eigenen Kindheit wieder hochkommen. Die Erinnerung an das damalige Verhalten der Eltern  (z. B. verbale Erniedrigung oder Aggression) in ähnlichen Situationen kann dazu führen, dass sie nicht mehr dazu in der Lage sind, angemessen auf das Kind und seine Bedürfnisse einzugehen.

Stattdessen reagieren sie häufig mit Überforderung und verlieren die Kontrolle über die Situation. Schlimmstenfalls kommt es zu Verhaltensweisen, die der psychischen und physischen Gesundheit des Kindes (langfristig) schaden können – zum Beispiel, wenn Eltern ihr schreiendes Baby schütteln oder anderweitig gewalttätig werden.

Der Kinderpsychiater, Psychoanalytiker und Bindungsforscher PD Dr. Karl Heinz Brisch hat das Programm „SAFE® – Sichere Ausbildung für Eltern“ ins Leben gerufen. Diese Kurs-Konzept ist eine präventive Hilfe für werdende Eltern. Sie lernen den sicheren Umgang mit ihrem Baby und wie sie auf seine Signale richtig reagieren. Zudem haben sie die Möglichkeit, sich mit den Erlebnissen aus ihrer eigenen Kindheit auseinanderzusetzen.

Welt der Wunder - Die App

Kostenfrei
Ansehen