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„Ready Player One” von Ernest Cline: eine Evolution des Metaverse?

Foto: Envato / halfpoint

„Ready Player One” von Ernest Cline: die Metaverse-Vision der Zukunft?

Beeindruckende Virtual-Reality-Welten, unzählige virtuelle Aktivitäten für Teilnehmer aus aller Welt: Die Darstellung des Metaverse im Science-Fiction-Roman „Ready Player One” aus dem Jahr 2008 ist eine der prägendsten. So hat „Ready Player One“ zu unserer Vorstellung des Metaverse beigetragen:

Wie etliche Science-Fiction-Romane entwirft auch „Ready Player One“ eine düstere Zukunftsvision

Im Jahr 2045 stehen Umwelt und Zivilisation aufgrund des Klimawandels und der Erschöpfung fossiler Brennstoffe vor dem Kollaps. Da die Realität der Menschheit kaum noch etwas zu bieten hat, sucht sie Zuflucht in der Metaverse-Plattform OASIS.

Viele Menschen verbringen mittlerweile den Großteil ihres Lebens in den virtuellen Welten von OASIS. Auch der 18-jährige Wade Owen Watts, die Hauptfigur des Romans, nutzt OASIS täglich als Zuflucht vor der tristen Realität. Dort besucht er mit seinem Avatar eine virtuelle Schule. Deer Großteil seiner sozialen Kontakte findet in OASIS statt.

„Ready Player One“ ist klar von Neal Stephensons „Snow Crash“ inspiriert

Insgesamt finden sich in „Ready Player One“ etliche Parallelen zu dem 1992 veröffentlichten Science-Fiction-Roman „Snow Crash“ von Neal Stephenson, in dem das Wort Metaverse zum ersten Mal auftaucht. Das Konzept einer virtuellen Welt als Zufluchtsort für eine am Boden liegende Menschheit prägt beide Romane deutlich.

Allerdings haben es die Bewohner der Erde in „Ready Player One“ noch ein wenig leichter als in „Snow Crash“. Die Betreiber der in „Ready Player One“ beschriebenen virtuellen Welt OASIS sind Philanthropen und stellen den Zugang für wenige Cent zur Verfügung. Zahlreiche virtuelle Bildungsangebote in OASIS sind sogar kostenlos. Auch Wade ist von dem breitgefächerten Angebot für wissbegierige Nutzer in OASIS begeistert. „Ready Player One“ wirkt somit weniger düster und zynisch als die korrupte, gewalttätige Gesellschaft, die in „Snow Crash“ geschildert wird.

Aber das könnte sich bald ändern. Grund dafür ist ein Wettbewerb, den der OASIS-Erfinder James Halliday durch eine nach seinem Tod hinterlassene Videobotschaft ausgerufen hat. Die Teilnehmer haben die Aufgabe, drei virtuelle Schlüssel zu finden, die Halliday in der aus tausenden virtuellen Planeten bestehenden OASIS versteckt hat. Mit diesen virtuellen Schlüsseln müssen drei virtuelle Tore geöffnet werden. Wer dies schafft, übernimmt die Kontrolle über OASIS – und erhält Hallidays hinterlassenes Milliardenvermögen.

Hallidays Hinweise über den Fundort der Schlüssel und der Tore sind jedoch auffällig kryptisch. So kryptisch, dass in fünf Jahren kein einziger Teilnehmer bei der Suche nennenswerte Fortschritte gemacht hat.

Ein korruptes Unternehmen will OASIS kommerzialisieren und reglementieren

An Hallidays Wettbewerb teilnehmen darf jeder mit einem OASIS-Zugang. Der durch und durch kapitalistisch geprägte Konzern Innovative Online Industries (IOI) nutzt dies aus – und schickt einen Großteil seines Mitarbeiterstabs ins Rennen.

IOI-Präsident Nolan Sorrento macht keinen Hehl daraus, dass in OASIS kein virtueller Stein auf dem anderen bleiben wird, wenn sein Unternehmen die Kontrolle darüber erlangen sollte. Wade und seine Freunde Aech, Art3mis, Shoto und Daito setzen jedoch alles daran, dies zu verhindern.

Nachdem es Wade durch einen cleveren Geistesblitz gelungen ist, den ersten Schlüssel zu finden, erscheint sein Name für jeden Teilnehmer sichtbar auf der Bestenliste des Wettbewerbs. Wade wird zum Gejagten von IOI und ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Für den Leser entfaltet sich schließlich eine Art Computerspiel zum Mitlesen mit einem spektakulären Finale.

So entwickelt „Ready Player One” das Metaverse-Konzept aus „Snow Crash“ weiter

Das Metaverse in „Ready Player One“ ist eine Virtual-Reality-Erfahrung mit VR-Brille

Wer sich in die Welt von OASIS einloggt, benutzt dafür standardmäßig eine Virtual-Reality-Brille und haptische Handschuhe. Auch von aufwendigeren Technologien wie haptischen Ganzkörperanzügen kombiniert mit Laufbändern ist die Rede.

Das Metaverse in „Ready Player One” setzt stark auf Gamification und Rollenspielelemente

Allerdings bieten die virtuellen Welten von OASIS um einiges mehr Features und mehr Komplexität als gängige Virtual-Reality-Apps. Computer- und Videospielkenner werden bemerken, dass die grundlegenden Prinzipien von OASIS stark einem Online-Rollenspiel wie „World of Warcraft“ oder „Elder Scrolls Online“ ähneln.

  • Die Fähigkeiten von Avataren sind nicht statisch, sondern können sich weiterentwickeln.
  • Avatare, die Gegner besiegen oder Aufgaben lösen, erhalten dafür Erfahrungspunkte (Experience Points, XP).
  • Wie in einem klassischen Rollenspiel haben Avatare in OASIS Trefferpunkte (Hit Points, HP). Nimmt ein Avatar in einem Kampf Schaden, verliert er eine festgelegte Anzahl von Trefferpunkten.
  • Sammelt ein Avatar genügend Erfahrungspunkte, erreicht er die nächste Erfahrungsstufe (Experience Level). Hierdurch erhöht sich auch die Anzahl seiner Trefferpunkte.
  • Fallen die Trefferpunkte eines Avatars 0, stirbt er einen virtuellen Tod. Er verliert alle Gegenstände, die er mit sich führt. Danach wird er auf Stufe 1 zurückgesetzt.
  • Dieses Spielprinzip motiviert zum stundenlangen, regelmäßigen Weiterspielen.

Begründet werden die zahlreichen Gamification-Elemente der virtuellen Welt in „Ready Player One“ durch die Vorliebe des OASIS-Schöpfers für Computer- und Videospiele. Wade weist jedoch darauf hin, dass diese Mechaniken optional sind und auch ignoriert werden können. Denn auch von actionreichen Kämpfen abgesehen haben die virtuellen Welten von OASIS einiges zu bieten.

Zu den spannendsten virtuellen Erfahrungen in „Ready Player One“ gehören die in OASIS aufrufbaren „Flicksyncs”. Hier wird ein Filmklassiker (im Roman selbst „Wargames – Kriegsspiele“ von 1983) in eine interaktive Erfahrung in 3D umfunktioniert. Der Nutzer übernimmt die Rolle der Hauptfigur und muss diese authentisch nachspielen.

In der virtuellen Welt von „Ready Player One” schwingt viel 1980er-Nostalgie mit

Durch einen Story-Kniff dürften bei der Lektüre von „Ready Player One“ vor allem Fans klassischer Computer- und Videospiele auf ihre Kosten kommen. Der exzentrische Spielefan Halliday wird als Kind der 1980er Jahre beschrieben. Der OASIS-Gründer ließ es sich daher nicht nehmen, seine Lieblingsspiele aus seiner Jugendzeit in die virtuellen Welten von OASIS zu integrieren.

Hierzu gehören Klassiker wie:

  • „Adventure“, Atari, 1980, System: Atari 2600
  • „Zork“, Infocom, 1980, diverse Systeme
  • „Tempest“, Atari, 1981, System: Spielautomat
  • „Pac-Man“, Namco, 1980, System: Spielautomat
  • „Joust”, Williams Electronics, 1982, System: Spielautomat
  • „Black Tiger“, Capcom, 1987, System: Spielautomat
Quelle: YouTube / Warner Bros. Pictures

Die Verfilmung aus dem Jahr 2018

Die Leinwandfassung von „Ready Player One“ von Steven Spielberg besitzt zwar dieselbe Rahmenhandlung wie der Roman, nimmt sich jedoch davon abgesehen viele Freiheiten. In der Romanvorlage ist Wade etwas übergewichtig, in der Verfilmung nicht. Einige Hauptfiguren des Romans tragen anders zur Handlung bei als im Original oder tauchen gar nicht auf.

Die Frage, ob die Flucht in die virtuellen Welten von OASIS der schwer angeschlagenen Menschheit mehr schadet oder nützt, wird direkter aufgegriffen. Dasselbe gilt für die Frage, ob OASIS ein Spiel ist oder nicht. Dazu findet die Handlung der Verfilmung zu einem größeren Teil in der realen Welt statt.

Wie visionär war „Ready Player One”?

Das Metaverse als Virtual-Reality-Erfahrung

In „Ready Player One“ wird das OASIS-Metaverse explizit als Virtual-Reality-Plattform beschrieben, die eine Datenbrille und ein haptisches Eingabegerät voraussetzt. Eine Version von OASIS für konventionelle Bildschirme gibt es nicht.

Ernest Clines Vision des Metaverse scheint Eindruck hinterlassen zu haben: Auch heute noch werden das Metaverse und Virtual Reality oft in einem Atemzug genannt. Wer den Begriff „Metaverse“ in eine Online-Bildersuche eingibt, wird vor allem Bilder von Metaverse-Nutzern mit Virtual-Reality-Brillen finden. Internet-Gigant-Facebook, heute Meta, ging sogar so weit, seine Ende 2022 vorgestellte Metaverse-Plattform „Horizon Worlds“ spezifisch auf 3D-Brillen auszurichten.

„Ready Player One“ entwickelt den E-Sport weiter

Einige in den Nullerjahren prägende Konzepte werden von „Ready Player One“ auch konsequent weitergedacht. Dazu gehört der E-Sport, das Spielen von Computer- und Videospielen in Wettbewerben um zum Teil hoch dotierte Preisgelder. Zu Beginn der Nullerjahre – und damit zur Entstehungszeit von „Ready Player One“ – hatte E-Sport vor allem in den USA und Asien zunehmend an Popularität gewonnen. Auch heute noch treten zahlreiche E-Sport-Profis in populären Computer- und Videospielen gegeneinander an.

In „Ready Player One“ gibt es zahlreiche VIPs, die es durch ihr spielerisches Können zu großer Bekanntheit im OASIS-Metaverse gebracht haben. Indem Wade als erster OASIS-User eine von Hallidays drei Aufgaben löst, gehört er plötzlich zu ihnen. Allerdings gelingt es ihm trotz seiner neuen Bekanntheit nicht, seinen Lebensunterhalt allein durch Sponsorenverträge zu bestreiten. Deshalb ist Wade gezwungen, zusätzlich einen Job als virtueller Servicemitarbeiter anzunehmen, um seine Miete zahlen zu können.

Rollenspiele sind im Gaming-Bereich Trendsetter – aber bisher nicht auf Metaverse-Plattformen

Rollenspiele waren zur Entstehung von „Ready Player One“ bereits voll im Trend – „World of Warcraft“, eines der populärsten Online-Rollenspiele überhaupt, erschien im November 2004, rund vier Jahre vor dem Erscheinungsdatum des Romans. Und auch heute noch gehören Rollenspiele durch ihr fesselndes Spielprinzip zu den führenden Spielegenres.

Rollenspielelemente mit anderen Spielegenres zu kombinieren, ist ebenso ein bewährtes Erfolgsrezept. Vor allem in Online-Actionspielen zählt es zum guten Ton, dass Spielerinnen und Spieler Erfahrungspunkte sammeln und mit ihrem Avatar auf höhere Stufen aufsteigen können.

Auf gängigen Metaverse-Plattformen lässt diese Entwicklung jedoch noch auf sich warten. Plattformen wie Decentraland und The Sandbox orientieren sich weiterhin viel mehr am wirklichen Leben – in dem es eben keine Erfahrungsstufen gibt.

Wer auf Decentraland und Co. aktiv ist, wird dagegen mit virtuellen Geldbeträgen, Tokens und Outfits anstelle von Erfahrungspunkten belohnt. Ein Erfahrungspunkte-System gehört somit zu den Aspekten, in denen sich Online-Rollenspiele noch deutlich von Metaverse-Plattformen absetzen. Ob es auch in Zukunft dabei bleibt, wird sich zeigen.

Der Roman „Ready Player One” von Ernest Cline, Cover

Der Roman „Ready Player One“ von Ernest Cline

„Ready Player One“ ist ein spannender und fantasievoller Science-Fiction-Roman, der sich besonders für spielebegeisterte junge Leser und junge Erwachsene eignet. Für das maximale Lesevergnügen setzt der Roman gute Kenntnisse klassischer Video- und Computerspiele der 1980er Jahre voraus.

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