

Voitair
Unsichtbare Kaufanreize, die sich in unser Unbewusstes schleichen, ohne dass wir es merken? Klingt wie der Traum jedes Marketingexperten. Die Idee ist im wahrsten Sinne des Wortes aus der Luft gegriffen: Duftmarketing ist ein Luftangriff auf unsere Nase - und bahnt sich von dort aus seinen Weg direkt in unser Fühlen, Denken und Handeln. Nicht immer sind die dafür verwendeten Geräte getarnt, wie dieses Foto beweist. Aus dem weißen Kasten der Firma Voitair, der in einem Modehaus zum Einsatz kommt, strömt ein angenehmer Geruch. Firmenchef Hans Voit bringt die Grundidee des Duftmarketings auf den Punkt: „Wo es gut riecht, fühle ich mich wohl. Wo ich mich wohl fühle, bleibe ich länger. Und wo ich länger bleibe, kaufe ich mehr.“
A&D GmbH
Die Anwendungsgebiete von Duftmarketing sind vielfältig. Vom Kaffeeduft, der zum spontanen Kauf eines Coffee to go einladen soll über die Duftspur, die an einem Messestand Gäste anlockt bis zur Entfernung des unangenehmen Geruchs von geschliffenem Glas beim Optiker. Größere Unternehmen wie Hotel- oder Einzelhandelsketten lassen sich mitunter von Duftmarketing-Strategen einen charakteristischen Duft erstellen, der für die wahrgenommene „Persönlichkeit“ des Unternehmens steht. So soll beispielsweise eine Automarke einen „Eigengeruch“ haben sowie jedes Modell des Unternehmens eine individuelle Note innerhalb dieser Duftfamilie.
Voitair
Finden Sie den quadratischen Duftspender in dieser Apotheke? „In einer Apotheke riecht es normalerweise nach Husten, Schnupfen, Heiserkeit“, sagt Stefan Jockisch vom Duftmarketing-Unternehmen A&D GmbH. „Keine idealen Voraussetzungen, wenn man beispielsweise jemanden in Urlaubsstimmung davon überzeugen will, dort seine Sonnencreme zu kaufen“. Die Lösung: ein Duft, der die Medizingerüche durch angenehme Assoziationen ersetzt. Im Grunde ist das vergleichbar mit klassischer Werbung: Ein Cabrio verkauft sich besser, wenn das Werbemotiv nicht in einer düsteren Garage fotografiert, sondern an einem sonnigen Strand in Szene gesetzt wurde. Genauso hebt es die Stimmung, wenn es in der Apotheke nicht nach Krankheit riecht, sondern nach Urlaub.
Imago/Karlheinz Pawlik
Riecht es nach Schokolade, verspüren die Kunden süße Gelüste. Exotische Düfte wecken die Lust auf eine Weltreise. Wird dagegen ein Kaffeeduft verströmt, bekommen die Menschen Lust auf den Muntermacher. Funktioniert Duftmarketing wirklich so einfach? Manchmal ja, wie Jürgen Schenk, Geschäftsführer der Elu Gmbh, berichtet: „Wir haben im Auftrag eines großen Hotels den Bereich vor dem Aufzug sanft mit Cappuccino beduftet. Die Wirkung: ein Umsatzplus im Bistro von 36 Prozent.“ Schenk erklärt: „Düfte haben einen hohen Wiedererkennungsfaktor. Psychologisch gesehen ist jeder Duft in Form eines Bildes oder Erlebnisses gespeichert. Wenn eine Frau vorbei geht, die den gleichen Duft trägt wie unsere erste Freundin, erinnern wir uns an diese erste Liebe.“ Dasselbe funktioniert auch mit Orangenduft oder Kaffeegeruch – sie wecken individuelle Assoziationen und Erinnerungen.
Voitair
Manchmal geht es im Duftmarketing allerdings nicht darum, auf Angenehmes hinzuweisen, sondern von unangenehmen Gerüchen abzulenken. Beispiel Krankenhauslobby oder das Wartezimmer beim Zahnarzt: Hier können positive Gerüche die Angst vor der anstehenden Untersuchung nehmen. „Wenn es beim Zahnarzt nach Nelken riecht, verbindet man damit sofort den typischen Zahnarzt-Geruch“, weiß Schenk. „Deshalb wird mit einem Absorber der Nelkengeruch entfernt und im Anschluss durch wohlige Gerüche ersetzt. Ärzte bestätigen uns immer wieder, dass seit dieser Maßnahme die Patienten deutlich entspannter auf dem Stuhl sitzen.“
Imago/Imagebroker
Duftmarketing sorgt auch in Diskotheken für eine bessere Stimmung. Denn hier zeigte sich bei der Einführung des Rauchverbots, dass der Qualm einen überraschend angenehmen Nebeneffekt hatte: Den Schweißgeruch ambitionierter Tänzer beispielsweise hat der Nikotindunst ganz einfach neutralisiert. Diese Funktion erfüllt nun eine gesundheitsfreundlichere Lösung: Ein Beduftungsgerät verströmt über die Klimastränge der Klimaanlage einen angenehmen Geruch. Klar, dass die Werbeindustrie da Umsatzpotential wittert: „Düfte wie Mango oder Papaya wirken verzehranregend und verkaufsfördernd“, verrät Stefan Jockisch von A&D Aroma und Duftmarketing.
Elu GmbH
Wie riecht eigentlich der Sommer? Wie riecht Freiheit, Reichtum, Sinnlichkeit oder Abenteuerlust? Um solche abstrakten Assoziationen in unserem Gehirn zu wecken, lassen sich Duftmarketing-Experten einiges einfallen. Neben Eigenkreationen bauen sie Düfte regelrecht nach. Im ersten Schritt untersuchen sie die Gerüche-Köche mit Hilfe eines Gaschromatographen auf ihre Bestandteile. So entsteht der Bauplan, um den Duft Stück für Stück nachzubauen oder kreativ zu verändern. Das Bild zeigt Joachim Weinmüller vom Duftmarketing-Unternehmen Elu – besser bekannt unter seinem Spitznamen „die Nase“.
Vapodor
Neben Aromen ausströmenden Säulen können für das Duftmarketing auch Geräte verwendet werden, die an die Klimaanlage gekoppelt sind. Das macht vor allem bei größeren Räumen Sinn. Das Bild zeigt so ein Gerät namens „Oslo Dual“ der Firma Vapo d´or. Im Inneren befinden sich zwei Kartuschen, die unterschiedliche Funktionen erfüllen. Der eine Duftstoff minimiert schlechte Gerüche, indem er deren Moleküle beim Aufeinandertreffen im „Luftkampf“ knacken und neutralisieren kann. In der zweiten Kartusche befindet sich der eigentliche Duft, der im Anschluss verströmt wird.
Imago/Reinhard Kurzendörfer
Hans Voit war mit der Firma Voitino (Archivbild) ein Pionier des Duftmarketings in Deutschland. Mittlerweile firmiert sein Unternehmen unter dem Namen Voitair. Zu den Kunden zählen Porsche Design und die Modemarke Burberry. „Wenn ich sage ´Hauptsache es riecht gut´, dann ist das lediglich Raumbeduftung, nicht Duftmarketing“, weiß Voit. Am Anfang stehen daher, – etwa wie bei einer üblichen Agentur intensive Gespräche mit dem Kunden. „Ein Duft muss zum Unternehmen, der Einrichtung und der Klientel passen. Wenn der optische und der olfaktorische Eindruck eine Symbiose eingehen, erzielt man den größten Erfolg“, sagt Hans Voit.
Imago/McPhoto
Auch beim Mitbewerber Elu weiß man, dass es nicht genügt, irgendeinen Wohlgeruch zu verströmen, um Kunden zu binden. Gerüche werden sehr subjektiv wahrgenommen. Dennoch gibt es gewisse Grundregeln. Jürgen Schenk von Elu erklärt die Detailverliebtheit des professionellen Duftmarketings am Beispiel Auto: „Zu einer großen, schweren Limousine passt auch ein schwerer Duft. Beispielsweise Wurzelholz, Leder, Limone, Amber. Während diese Düfte die ältere Zielgruppe ansprechen sollen, verkauft sich ein junges, dynamisches Fahrzeug mit frischen, sportlichen und leichten Düften wie Marine.“ Wenn sein Unternehmen einen Auftrag annimmt, zählt auch ein Blick auf die Webseite der Firma zu den ersten Eindrücken. Insbesondere die Farbwahl spielt hier eine Rolle. „Wenn man einen Braunton als Bestandteil des Firmenauftritts hat, kann man keinen Erdbeerduft nehmen, sondern muss auch vom Duft her in die warmen Töne gehen.“ Duftmarketing kann seine volle Wirkung also erst entfalten, wenn alle Sinne angesprochen werden.
imago/Blickwinkel
Üblicherweise arbeitet Duftmarketing mit positiven Assoziationen, doch gibt es auch Ausnahmen. Jens Gogoll, Geschäftsführer beim Duftmarketingexperten Vapo d´or, berichtet: „Wir haben beispielsweise schon für eine Freizeitpark-Attraktion für Kinder einen Duft kreiert, der nach vermodertem Keller riechen sollte. Eigentlich schwebte dem Kunden ein ´Duft wie Mundgeruch´ vor, das haben wir ihm allerdings ausreden können.“ Auch andere Duftmarketing-Experten wurden schon mit bizarren Kundenwünschen konfrontiert. Jürgen Schenk, Geschäftsführer der Elu Gmbh, erzählt: „Ein Kunde hat für eine Messepräsentation seines Duftabsaugers einen Geruch bestellt, der an Hundekot erinnern sollte.“
imago/Westend61
Ist Duftmarketing also tatsächlich eine unsichtbare Gehirnwäsche, gegen die wir machtlos sind? Locken uns Gerüche wie willenlose Zombies in die Schuldenfalle? Nein, derartige Sorgen sind natürlich unbegründet. „Wenn Sie ein Auto kaufen wollen und bei fünf Händlern den gleichen Preis angeboten bekommen, kaufen Sie eher in dem Autohaus, in dem es am besten riecht“, so Stefan Jockisch von A&D. „Doch wenn der Kunde überhaupt nicht vorhatte, ein Auto zu bestellen, kann man noch so sehr beduften und er wird dennoch keines kaufen.“
Imago/Blickwinkel
Hans Voit ist überzeugt, dass Duftmarketing in Zukunft immer wichtiger wird. „Marketing von heute ist ein harter Überlebenskampf. Der Handel will alles dafür tun, den Wettkampf für sich zu entscheiden, aber das kann nicht nur über den Preis und klassische Werbung gehen“, so Voit. „Während der Kunde bei der Plakatwerbung einfach wegschauen kann, kann er sich einem verführerischen Duft nicht entziehen. Das ist die Zauberkunst des Duftmarketings!“
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