Vor über 100 Jahren begann der Erste Weltkrieg – und führte zu Grausamkeiten von bis dahin nicht gekannten Ausmaßen. Das Gemetzel in industriellen Dimensionen forderte 15 Millionen Todesopfer. Historiker sprechen von der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“.

imago-imagebroker

Die Gewalt, die der Erste Weltkrieg freisetzt, übertrifft alles bisher Dagewesene: Neun Millionen Soldaten und sechs Millionen Zivilisten fallen dem unvorstellbaren Gemetzel zum Opfer. Das große Schlachten beginnt im Sommer 1914 und entwickelt schnell eine scheinbar unaufhaltsame Eigendynamik. So wird der Erste Weltkrieg zum bis dahin größten Konflikt der Menschheitsgeschichte.
imago-United-Archives-International

28. Juni 1914: Der habsburgische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie sind zu Besuch in der bosnischen Stadt Sarajevo. Die Aufnahme zeigt das Paar, kurz bevor sie von dem serbischen Nationalisten Gavrilo Princip mit zwei Schüssen auf offener Straße ermordet werden.
imago-imagebroker

Der Attentäter wird kurz nach der Bluttat verhaftet. Noch denkt niemand an Krieg. Doch der Anschlag löst die Julikrise aus – die wenige Wochen später direkt in den Großen Krieg führt. Viele Menschen glauben im Sommer zunächst, es handele sich lediglich um einen lokalen Konflikt zwischen Österreich und Serbien. Doch nach dem Attentat vom 28. Juni überschlagen sich die Ereignisse. Die Kriegsparteien mobilisieren ihre Kräfte. Am 23. Juli stellt Österreich-Ungarn ein unannehmbares Ultimatum an Serbien – und erklärt fünf Tage später den Krieg.
imago-United-Archives-International

Über 60 Millionen Soldaten stehen zwischen 1914 und 1918 unter Waffen. Geographischer Hauptschauplatz des Ersten Weltkrieges ist Europa, doch insgesamt sind rund 40 Länder von allen Kontinenten beteiligt.
imago-United-Archives-International

Die moderne Waffentechnik führt im Ersten Weltkrieg zu einer Industrialisierung der Kriegsführung. Immer präziser, weiter und schneller schießen die neuen Großkaliber-Geschütze – und verwandeln die Schlachtfelder in apokalyptische Landschaften des Grauens.
imago-United-Archives-International

Trotz der Ächtung in der Haager Landkriegsordnung von 1907 werden von 1914 bis 1918 erstmals industriell in großen Mengen hergestellte Chemikalien als Waffen großflächig eingesetzt. 132.000 Tonnen Kampfstoffe werden produziert, 113.000 Tonnen verwendet. Von den 45 verschiedenen chemischen Verbindungen sind 18 tödlich, der Rest reizend. 91.000 Menschen sterben durch Giftgas, 1.200.000 werden verletzt.
imago-United-Archives-International

Mit seiner Unterwasser-Flotte versucht das deutsche Kaiserreich von 1915 bis 1918, die britische Seeblockade zu brechen und seine Gegner zu isolieren. In ihrem zeitweilig uneingeschränkten U-Boot-Krieg versenken die Deutschen über 5.550 alliierte und neutrale Handelsschiffe sowie rund 100 Kriegsschiffe.
imago-United-Archives

Mit den in Deutschland entwickelten Flammenwerfern können Gegner durch einen Flammenstrahl auf kurze Distanz bekämpft werden. Dabei wird unter Druck stehendes Flamm-Öl durch ein Rohr verspritzt und entzündet – und tötet aus nächster Nähe.
imago-ITAR-TASS

In der Kesselschlacht bei Tannenberg im ehemaligen Ostpreußen schlagen deutsche Truppen im August 1914 die russische Armee vernichtend. Während auf deutscher Seite 13.000 Soldaten sterben, werden insgesamt 140.000 Russen getötet oder gefangen genommen.
imago-United-Archives

Im September 1914 beschießen deutsche Soldaten die nordfranzösische Stadt Reims. Auch die gotische Kathedrale, jahrhundertelang Krönungsstätte der französischen Könige, brennte nieder. Die Zerstörung der Kulturgüter wird zum Sinnbild für das Auf und Ab des deutsch-französischen Verhältnisses und beschädigt das deutsche Ansehen international schwer.
imago-United-Archives-International_

Nach Italiens Kriegseintritt 1915 entwickelt sich das im heutigen Slowenien gelegene Isonzo-Tal (Bild: heute) nördlich von Triest zum Hauptschlachtfeld der südlichen Front. Zwischen Juni 1915 und Oktober 1917 kämpft Österreich-Ungarn in zwölf Schlachten gegen italienische Truppen – meist ohne nennenswerten Raumgewinn.
imago-Westend61

Die nordostfranzösische Stadt Verdun wird zum Inbegriff für die Sinnlosigkeit des Krieges: Rund 700.000 Soldaten fallen zwischen Februar und Dezember 1916 im Stellungskrieg. Für eine ganze Generation von Franzosen und Deutschen wird Verdun zum Trauma.
imago-United-Archives-International

Steigende Preise, rationierte Lebensmittel: Der Krieg stürzt die Bevölkerung in Verzweiflung, Erschöpfung und Not. Im als „Kohlrübenwinter“ bekannten Winter 1916/17 erreicht die Versorgungskrise in Deutschland ihren Höhepunkt. Als Ersatz für die miserable Kartoffelernte werden rationierte Steckrüben ausgegeben. Die Widerstandskraft der Bevölkerung erlahmt, vor allem in den Städten. Insgesamt sterben in Deutschland zwischen 1914 und 1918 rund 700.000 Menschen an Unterernährung.
imago-United-Archives

Historiker sehen die Zeit zwischen 1914 und 1945 inzwischen als eine zusammenhängende Epoche voller ungelöster Probleme. Die Friedensschlüsse von 1919/20 waren nicht von Dauer. In Deutschland erstarkte die hasserfüllte und demagogische Diktatur Adolf Hitlers und der Nationalsozialisten.
imago-United-Archives-International

Über 16.000 Soldaten liegen auf dem französischen Soldatenfriedhof von Douaumont begraben. Die Überreste weiterer nicht identifizierter 130.000 Franzosen und Deutschen ruhen im Beinhaus. Das vergleichsweise geringe Interesse am Ersten Weltkrieg in Deutschland erklären sich Forscher unter anderem mit den größeren Schrecken, Opfern und Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs, die die Erinnerung überlagern. In anderen Ländern – etwa Frankreich – ist das anders: Hier ist der Erste Weltkrieg als „la Grande Guerre“ in die Geschichtsbücher eingegangen.
imago-imagebroker
Der erste Attentäter verfehlt sein Ziel nur knapp: Am 28. Juni 1914 gegen zehn Uhr vormittags entkommt der österreichische Erzherzog Franz Ferdinand nur um Haaresbreite einem Bombenanschlag. Mit dem Arm wehrt der Thronfolger den Wurf ab, das Geschoss fällt hinter seinen Wagen, detoniert und verletzt einige seiner Begleiter. Der Besuch in der bosnischen Stadt Sarajevo wird planmäßig fortgesetzt. Nach einem Empfang besteht Franz Ferdinand darauf, einen der Verletzten im Krankenhaus zu besuchen – eine fatale Entscheidung. Derweil sitzt der pro-serbische Nationalist Gavrilo Princip in einem Café. Er ist enttäuscht. Der Anschlag auf den verhassten Habsburger ist fehlgeschlagen, sein Komplize Nedeljko Čabrinović ist bereits in Polizeigewahrsam. Doch plötzlich sieht er den Konvoi mit dem Neffen von Kaiser Franz Joseph vorbeiziehen. Der 19-Jährige rennt auf den offenen Wagen zu. Im letzten Moment feuert er mit seiner Pistole die zwei tödlichen Schüsse auf Franz Ferdinand und seine Frau Sophie ab.
Ein Attentat führt zur Katastrophe
Noch denkt niemand an Krieg. In Wien unterbrechen die Walzerkapellen ihr Spiel, als die Meldung aus dem fernen Sarajevo verlesen wird – im Publikum löst dies kaum Erschütterung aus. Die Höfe, Staatskanzleien und Generalstäbe ganz Europas gehen wie gewohnt auf Urlaub, Kaiser Wilhelm II. unternimmt seine traditionelle Nordlandfahrt. Europa hat zuvor schon mehrmals am Rande eines großen Kriegs gestanden – und ist dennoch stets vor dem Abgrund zurückgewichen.
Juli-Krise und Kriegserklärung
Die „Juli-Krise“ im Anschluss an das Attentat von Sarajevo entfaltet jedoch eine fatale Dynamik. Österreich lechzt nach Vergeltung. Serbien sei „niederzuwerfen“, fordert Kaiser Franz Joseph. Das kleine Balkanland habe dem großen Nachbarn lange genug auf der Nase herumgetanzt. Doch Belgrad ist mit dem großen Russland verbündet. Die stetige Aufrüstung des Zarenreichs ist wiederum Kaiser Wilhelm unheimlich. Dem Bündnispartner an der Donau signalisiert er deshalb unbegrenzte Rückendeckung. Die Doppelmonarchie stellt Serbien ein praktisch unerfüllbares Ultimatum – und erklärt am 28. Juli den Krieg.
Europa rüstet zum Zwei-Fronten-Krieg
Unerbittlich nimmt die Bündnis-Mechanik ihren Lauf. Am 30. Juli verfügt Zar Nikolaus II. die Generalmobilmachung. Am Tag darauf macht Österreich-Ungarn mobil. Am 1. August erklärt Deutschland Russland den Krieg und marschiert am nächsten Tag in Luxemburg ein – mit Stoßrichtung auf das neutrale Belgien und den „Erbfeind“ Frankreich. Am 4. August bricht England seine Beziehungen zu Deutschland ab. Die Mittelmächte – also das deutsche und das österreichische Kaiserreich – standen nun gegen die Entente – wie Frankreich, England und Russland bezeichnet wurden – in einem schwierigen Zwei-Fronten-Krieg. Die deutsche Generalität braucht einen schnellen Sieg über Frankreich, um freie Hand für Russland zu haben. Das verbündete Österreich ist am serbischen Schauplatz stärker beansprucht als gedacht und folglich mit dem Zarenreich im Nordosten überfordert. Doch der deutsche Vormarsch in Frankreich kommt schon im September an der Marne zum Stillstand. Die Heere graben sich ein, ein jahrelanger Stellungskrieg beginnt.
Die Hölle von Verdun
Zwischendurch jagen die Generäle ihre Männer in verlustreiche Offensiven. Die Schlacht um Verdun dauert vom Februar bis zum Dezember 1916. Keine der Seiten erringt einen strategischen Vorteil. 162.000 französische und 100.000 deutsche Soldaten sterben auf dem Schlachtfeld. Fast 500.000 werden verwundet. Die „Hölle von Verdun“ wird mit zum Symbol für die Schrecken des Ersten Weltkriegs. Mit ähnlichem Grauen erinnern sich Österreicher und Italiener an die zwölf unentschiedenen Schlachten am Isonzo zwischen 1915 und 1917.
Der Kampf wird zum totalen Krieg
Immer neue Länder zieht es in das gigantische Ringen hinein. 1915 schließt sich Bulgarien den Mittelmächten an und Italien der Entente. 1916 folgen Rumänien und 1917 die USA mit dem Kriegseintritt an der Seite der Entente. Der Kampf weitet sich zum totalen Krieg aus. Die Zivilbevölkerung wird für die Kriegswirtschaft mobilisiert – und hungert. Trotz Ansätzen zu Verhandlungen wird immer klarer, dass der Krieg nur mit dem Siegfrieden der einen, dem Zusammenbruch der anderen Seite enden wird. Als erste Großmacht scheidet Russland aus: Die Revolutionen im Jahr 1917 führen zum Sonderfrieden mit Deutschland.
Deutschland kapituliert
Die Mittelmächte allerdings sind stärker ausgeblutet, verfügen über weniger Reserven als die Entente. Als in der ersten Jahreshälfte 1918 die Offensiven der Deutschen in Frankreich und der Habsburger-Monarchie an der Piave scheitern, zeichnet sich das Ende ab. Am 11. November kapituliert Deutschland. Die Donaumonarchie zerfällt, ihre nicht-deutschen Teile machen sich selbstständig. Der eigentliche Friedensschluss erfolgt aber erst mit den Pariser Vorortverträgen 1919 und 1920.
Blutvergießen mit industriellen Ausmaßen
Das bis dahin schlimmste Blutvergießen der Menschheitsgeschichte hat mindestens neun Millionen Soldaten und sechs Millionen Zivilisten das Leben gekostet. Das Töten auf dem Schlachtfeld nahm erstmals industrielle Ausmaße an. Neuerungen wie die Eisenbahn, das Maschinengewehr und schnell feuernde Artillerie beschleunigten und intensivierten die Kriegsführung in einer Weise, wie man sie bisher nie erfahren hatte. Auch Giftgas wurde erstmals eingesetzt. Generäle aller Seiten verharrten in der strategischen Mentalität des 19. Jahrhunderts und verheizten ihre Männer bedenkenlos im Inferno der modernen Waffentechnik. Unzählige Soldaten wurden durch die schrecklichen Kriegserlebnisse traumatisiert. Sie wurden zu „Kriegszitterern“, Neurotikern oder ganz irrsinnig.
Die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts
Die Frage, wer die Verantwortung für die Entfesselung der Katastrophe trug, beschäftigt die Geschichtsforschung bis heute. Einig sind sich die Historiker weitgehend, dass die Friedensschlüsse von 1919/20 den Kontinent nicht dauerhaft zu befrieden vermochten. Die Sieger nahmen an den Verlierern Revanche, zwangen ihnen demütigende Bedingungen auf. In Deutschland begünstigte dies den Machtaufstieg eines von Komplexen und Hass erfüllten, aber mit Demagogie begabten Kunstmalers aus der österreichischen Kleinstadt Braunau. Die Folgen der Diktatur Adolf Hitlers sind bekannt. Der US-Diplomat und -Historiker G
eorge Kennan bezeichnete deshalb den Ersten Weltkrieg als die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“.
eorge Kennan bezeichnete deshalb den Ersten Weltkrieg als die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“.
Weitere Empfehlungen der Redaktion
Kommt der Regenschirm aus England?
Adrenalinkick Achterbahn – was die Fahrt im Menschen anrichtet
Das verschwindende Ich: Wie Alzheimer die Persönlichkeit zerstört
Piraten: Schrecken der Meere
Gaistal-Rundwanderung: sieben Hochalmen auf einen Streich
Plastik im Bier: ein Gesundheitsrisiko?