Das Mehrwegsystem gilt als umweltfreundlich. Das Problem: Wenn Bierflaschen dadurch um die halbe Welt reisen, wird das System schnell zum Umweltschädling.
Die so genannten Individualflaschen sollen den Appetit auf die jeweilige Marke wecken und zum Kauf verleiten. „Bei der Flasche ist es wie bei einer schönen Frau”, wirbt der Bierflaschenhersteller Systempack Manufaktur auf seiner Internetseite. “Ein schickes Kleid und zusätzlicher Schmuck – alles harmonisch in Form und Farbe aufeinander abgestimmt – steigert die Attraktivität.“
Schön und auch gut? In diesem Fall stimmt die Gleichung leider nicht. Denn was den Verkauf ankurbeln soll, wird zunehmend zu einem Umweltproblem: Standardflaschen werden zur nächstgelegenen Brauerei transportiert, gereinigt, etikettiert und wiederbefüllt. Die leeren Designflaschen dagegen verstreuen sich in ganz Deutschland – und müssen immer wieder zu dem Standort ihrer Ursprungsbrauerei zurückkehren.
Flaschen reisen um die halbe Welt
So kam ein Bericht der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung in Mainz zu dem Ergebnis, dass nur noch etwa jede vierte Mehrweg-Bierflasche im Brauerei-Umkreis von bis zu 50 Kilometern bleibt. Im Durchschnitt lägen Abfüllort und Konsument 216 Kilometer auseinander. Lieferwege von über 400 Kilometern seien keine Seltenheit.
Die Flaschen des Bier-Exoten Corona sind besonders weit unterwegs: 9.000 Kilometer legen die Getränke des mexikanischen Getränkeherstellers Grupo Modelo zurück, bis sie in europäischen Supermärkten stehen. Die gleiche Strecke reist das Leergut zurück, um neu aufgefüllt zu werden.
Unterwegs sorgen die modischen Flaschen für reichlich Spritverbrauch. „Wenn die Transportdistanzen hinreichend groß werden, kippt das Mehrweg-System“, sagt Siegfried Kreibe, stellvertretender Geschäftsführer beim bifa Umweltinstitut in Augsburg. „Einweg wird dann wieder vorteilhafter.”
Allein der Transport der leeren Corona-Flaschen aus Deutschland zu den Häfen an der Küste verbraucht mehr Kohlenstoffdioxid, als die Herstellung einer neuen Flasche. Der Schiffstransport nach Mexiko ist da noch nicht einmal eingerechnet.
Landen die Individualisten schneller im Müll?
Allerdings haben auch die Hersteller selbst mit den Folgen der Flaschen-Vielfalt zu kämpfen. Längst ist der Sortieraufwand gewaltig geworden – und mit ihm Kosten, die für kleine Brauereien kaum zu stemmen sind. Denn die Supermärkte mischen Designflaschen mit den Einheitsflaschen und geben die bunt gemischten Kästen an einen Getränkegroßhändler zurück.
Flaschen zu sortieren wird zum Kostenfaktor
Kleine Brauerein sind damit überfordert. Der Brauereikonzern Anheuser-Busch, der Marken wie Beck’s in Individualflaschen vertreibt, kann sich den Aufwand dagegen leisten. ”Wir stehen im Wettbewerb”, sagt ein Konzernsprecher. “Ich vermute, ein Automobilkonzern würde aus Rücksicht auf Wettbewerber auch nicht aufhören, in Design zu investieren.”
Um die fremden Flaschen wieder loszuwerden, haben die Brauer mittlerweile im Internet das Leergutportal “Bottlefox” ins Leben gerufen, auf der sie die unerwünschten Flaschen anbieten und Preise für deren Abholung aushandeln. Mehr als 30 Brauereien sind dort aktiv. Derartige Tauschsysteme führen immerhin dazu, dass die Flaschen wieder in das Mehrwegsystem gelangen – und nicht im Altglas landen.