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Urbanes Leben: Wie verändern sich unsere Städte?

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Urbanes Leben: Wie verändern sich unsere Städte?

In der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts lebten erstmals mehr als 50 Prozent der Menschen in den Städten – Tendenz steigend. Wie kann eine Stadt diesen Zulauf stemmen und wer sorgt eigentlich dafür, dass alles lebenswert bleibt und schöner wird? Ein Blick auf das urbane Leben.

Bis 2050 sollen laut einer Prognose der Vereinten Nationen knapp 70 Prozent der Weltbevölkerung in der Stadt leben. Die Ballungsräume werden damit einer harten Belastungsprobe unterzogen, die Städte wachsen rasant, der Lebensraum wird verknappt.

In Deutschland führen Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt am Main das Ranking der größten Städte im Land an. 7.818.402 Menschen lebten hier alleine 2015 – mit fast acht Millionen entspricht das zehn Prozent der Gesamtbevölkerung Deutschlands. Und auch bei den restlichen Großstädten hört der Trend der Verstädterung nicht auf. Knapp 75 Prozent der Deutschen leben in einer Stadt, 2015 gab es 79 Großstädte, die grundsätzlich über der Schwelle von 100.000 Einwohnern liegen müssen, um sich als solche bezeichnen zu dürfen. In Deutschlands größter Stadt – der Hauptstadt Berlin – leben alleine 3.520.031 Menschen.

Das entspricht einer Bevölkerungsdichte von 3.948 Menschen auf einem Quadratkilometer, München liegt mit 4.668 Menschen pro Quadratkilometer sogar noch darüber. Im Vergleich: In kleineren Großstädten wie Erfurt sind es nur 779. Mehr Platz bedeutet auch günstigere Mieten – aber auch mehr Lebensqualität?

Das ist die große Frage, die so viele Stadtplaner und Entwicklungsämter beschäftigt: Wie kann so vielen Menschen ein lebenswerter Lebensraum selbst auf engstem Gebiet zur Verfügung gestellt werden? Die industrialisierte Stadt ist nämlich zunächst alles andere als das, was der Mensch zum Leben braucht. Wenig Licht und frische Luft, wenig Grün und Natur, die Entspannung bietet. Dafür bietet sie Arbeitsplätze, Gemeinschaft, Unterhaltung und Vielfalt. Genau das ist es, was die Menschen in die Stadt zieht. Und mit ihnen kommen neue Ideen. Sie stellen Forderungen an ihren Lebensraum und damit auch eine Aufgabe an die Städte: Grüner werden, vielfältiger werden, lebenswerter sein. Orte zum Aufblühen liefern. Kulturoasen bieten.

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Mehr als ein Wunschtraum

Die Notwendigkeit der grünen Stadt hört aber nicht bei den Bedürfnissen der Menschen auf – die Natur ist es, die die Stadt zurück erobern will und muss, wenn der Planet Erde eine Chance haben will. Wenn bis 2050 knapp 75 der Weltbevölkerung in Städten leben wird, sind nicht nur westliche Städte wie New York und Hamburg in dieser Entwicklung miteinbegriffen.

In Schwellen- und Drittweltländern ziehen die Menschen ebenfalls vom Land in die Stadt, in der es Arbeit und die Hoffnung auf ein besseres Leben gibt. Wo die einzige Perspektive nicht „Landwirtschaft“ heißt. In Megacitys in Asien, Südamerika und Afrika tummeln sich mehr als 30 Millionen Menschen. Lebensraum und Wohnen sind da dehnbare Begriffe. Verslumung und Vermüllung, Verschmutzung der Flüsse und Gewässer sind Realität. Wo es keine durchsetzbaren Vorschriften zu CO₂-Bilanzen und Luftverschmutzung gibt und Smog-Glocken sich über die Stadt senken, kommt es ganz besonders darauf an, dass der urbane Raum grüner wird, Luft zum Atmen bietet und auch der Natur eine Chance lässt.

Denn, dass mehr Menschen in die Städte ziehen, heißt auch, dass die Stadtgebiete sich räumlich um ein Vielfaches ausdehnen, dass mehr Landschaften von dicht gedrängten Häuserblocks oder Wellblechhütten bedeckt werden – und Wälder und Wiesen dafür weichen müssen. Mit der Begrünung der Stadt steht und fällt also die Klimasituation unseres Planeten. Hier wird die Zukunft gemacht – sowohl für die Stadt und die direkt Betroffenen als auch das Land und die Menschen, die zunächst gar nichts damit zu tun haben.

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Kleine und große Akteure

Der Wunsch nach mehr Leben in der Stadt und die Notwendigkeit der Begrünung spiegeln auch die Trends im urbanen Lebensraum wieder. Von begrünten Häuserfassaden zu Stadtparks und industriellen Gebieten, die mit Grüngürteln neues Leben eingehaucht bekommen – es gibt viele Akteure, die dabei heöfen, die Stadt zu verschönern. Da wären beispielsweise die vielen kleinen Stadtgärtner, die auf kleinstem Raum – dem Balkon – eine grüne Oase schaffen. Die ihr Gemüse und Obst dort anbauen und so die ganz eigenen Bedürfnisse nach der eigenen Ernte befriedigen.

Urban Gardening ist eine ganze Bewegung: vom Stadtbewohner mit einem Pflanzkübel auf dem Fensterbrett bishin zu Großprojekten, wie der Prinzessinnengarten in Berlin. Das Wunder, Gemüse wachsen zu sehen und die eigenen Früchte ernten und essen zu können, erdet viele Menschen, stellt den Bezug zurück zur Natur her, sei die Umgebung auch noch so urban und industriell. Diesem Bedürfnis kommen auch die Städte nach: Metropolen bauen Stadtgärten auf, wo in öffentlichen Beeten Tomaten statt Tulpen wachsen. So kann jeder, der vorbeigeht, gärtnern und ernten. Das bietet zum einen die Möglichkeit des Austestens, zum anderen aber auch die Inspiration zum Nachmachen.  Es hilft aber auch der Stadt, besser zu atmen – schließlich liefert fast jede Pflanze über Fotosynthese auch Sauerstoff für die Menschen, reinigt die Luft vom CO2 und hat damit einen direkten Effekt auf die Luftqualität und das Klima.

Damit wird auch ein weiterer Trend befeuert, der die Natur zurück in die Stadt holt: Mit Urban Beekeeping erobert die Biene die Stadt zurück, wo sie entgegen landläufiger Meinung sogar teilweise besser aufgehoben ist, als auf so manchem ländlichen Gebiet. Dank der Stadtgärten und bepflanzten Balkone gibt es hier viel Bedarf an Bestäubungsleistung – einem Job, dem die Biene gerne nachkommt. Dazu kommen die vielen Blüten, Blumen und Bäume in Stadtparks, Beeten und Gärtnereien, die den Völkern als Nahrung dienen und sie Honig produzieren lassen.

Die Vielfalt in der Stadt ist damit ein erheblicher Vorteil dem Land gegenüber: Hier finden sich statt bunter Wiesen mit Blumen und Gewächsen aller Art oftmals nur noch Monokulturen. Rapsfelder soweit das Auge reicht bringen zwar viel Ertrag in wenig Zeit, bedeuten aber auch, dass die Insekten nach drei Wochen intensiver Blüte nichts mehr in ihrem Umkreis finden und verhungern. Pflanzenschutzmittel auf agrarisch genutzten Flächen tun ihr Übriges. Neonicontinoide – häufig zum Pflanzenschutz als Insektizid eingesetzt – wirken sich nicht nur auf Schädlinge aus, sondern beeinflussen auch die Biene, die an den Nervenzellen geschädigt wird und orientierungslos wird.

Das begünstigt das Sterben vieler Bienenvölker, neben der steigenden Belastung durch die Varroamilbe und Krankheiten. Die Stadt ist also in vielen Punkten ein besserer Standort für die Biene und bringt nicht nur den Stadtgärtnern einen höheren Ertrag, sondern auch einen neuen Lebensraum für ein bedrohtes Nutz-Insekt, das auf den ersten Blick nichts im industriellen Lebensraum verloren hatte.

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Der Mensch als Motor und Profiteur

Dennoch profitieren nicht nur Tiere, Pflanzen und der Speiseplan der Stadtbewohner von der Begrünung und Veränderung der Stadt: Vor allem der Mensch selbst schätzt den bunten, vielfältigen Lebensraum mit mehr Natürlichkeit, selbst in industriellsten Gebieten. Begrünte Flächen, selbst da wo keine Fläche ist, eignen sich besonders dafür. Berühmtes Beispiel: Das Bosco Verticale in Mailand – zwei Hochhäuser, auf denen jeweils knapp 800 Bäume und 20.000 Pflanzen wachsen, die die Fassade grün, die Wohnungen natürlicher und die Umgebung schöner machen. Grün vor der Haustür baut nämlich Stress ab. In Städten, wo durch Nachverdichtung kaum noch Raum ist muss das Grün eben alternativ platziert werden.

Aber auch andere Faktoren machen die Stadt lebenswert. Beispielsweise die stetige Entwicklung. Denn selbst in der dichtesten Innenstadt wird mal das eine oder andere Hochhaus abgerissen. Diese Baulücken offen zu lassen, der Öffentlichkeit zuzugestehen und zu sehen, welche Nutzung dem neuen Platz zugedacht wird, bringt spannende Ergebnisse mit sich. In Tokio beispielsweise wurde durch öffentliche Flächen – gemeinsame „Wohnzimmer“ – der durchschnittlich genutzte Privatraum verkleinert. Denn der Mensch schätzt die Gesellschaft von anderen, die Möglichkeit, sich stetig neu zu erfinden. Menschen schätzen diese Freiheit, die die Stadt ihnen bietet – ein weiterer Grund für die Verstädterung und ein Anhaltspunkt dafür, was die Städter von ihrer Stadt erwarten und benötigen.

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Foto: iStock / Angerer

Design als Antrieb zu effizienter Nutzung und Schutz

In neuen Quartieren, die vom rein industriellen Raum zum Lebensraum gewandelt werden, spielt auch das Design eine große Rolle. Hochwertige, vielseitige Materialien und ästhetische Gesichtspunkte lassen beispielsweise auch wenigen, clever genutzten Platz attraktiv wirken. So werden auch Räume, die nicht zwangsläufig vor Grün strotzen, zum beliebten Aufenthaltsraum. Gut gewähltes Design lädt außerdem zur kreativen Nutzung ein, während es vor zerstörerischen Handlungen zurückschrecken lässt. Hier haben Stadtplaner also ganz neue Möglichkeiten: Clever angestellt und eingerichtet schützen die Menschen den geschätzten Platz nämlich selbst – weil sie ihn wertschätzen, brauchen und in seiner Funktion beibehalten wollen. Diese Idee, die Stadt den Menschen zurück zu geben, sie in ihre Hand zu legen, birgt also viel Positives und kann mit vielfältigen Faktoren beeinflusst werden.

Aber – und das ist der Nachteil der verschönerten, begrünten Stadt – der geschätzte Lebensraum wird auch immer teurer. Hier ergibt sich eine weitere Aufgabe für Planungsämter und Stadtentwickler. Um nämlich zurück zum Beispiel des Bosco Verticale zu kommen, hat es das Viertel vom durchschnittlichen Ort zu einem der beliebtesten der Stadt gemacht. Die Preise steigen – nicht nur in den Wohnungen der begrünten Türme sondern auch drum herum, in den Cafés und Einkaufspassagen. Das heißt der Raum, der für den Querschnitt der Städter, designt wurde, wird so wieder zum exklusiven Platz. Es ist also ein Balanceakt, der nicht nur zum Ziel hat, lebenswerten Wohnraum in der Stadt schaffen, er muss auch bezahlbar sein.

Daran arbeiten Planerund Bewohner selbst: Die Städte nachverdichten und doch verschönern, Lebensraum in der Stadt schaffen und diesen lebenswert machen. Menschen einen Platz zum Leben geben, ihn aber trotz der Attraktivität bezahlbar halten und allen Menschen zugänglich machen. Das sind die Herausforderungen der auch weiterhin fortschreitenden Urbanisierung, die bis 2050 wohl mehr als zwei Drittel der Weltbevölkerung zu Stadtbewohnern werden lassen wird.

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