Annie Dookhan war eine „forensische Expertin“ – bis sie am 22. November 2013 in Handschellen aus dem Gerichtssaal in Boston geführt wurde. Das Urteil: mindestens drei Jahre Haft. Der Tatort des Verbrechens: das staatliche Kriminallabor der Massachusetts Bar Association. Die Tat: Dookhan fälschte neun Jahre lang forensische Proben von mehr als 40.300 Verdächtigen – Hunderte, wenn nicht Tausende Unschuldige kamen ins Gefängnis. Die 35-Jährige erhöhte die Gewichtsangabe bei Drogen, kalibrierte die Laborgeräte nicht richtig, fälschte Unterschriften von Kollegen, erstellte Gutachten, ohne Tests durchzuführen, behauptete zu Unrecht, einen Master-Abschluss in Chemie zu haben. Doch welche Vorteile brachten ihr die gefälschten Laborergebnisse? Was viele nicht wissen: Ganz gleich, ob ein Crime Lab staatlich oder privat betrieben wird, es erhält einen Bonus von bis zu 600 Dollar pro Fall für Beweise, die zu einer erfolgreichen Verurteilung führen – eine Art Kopfgeldprämie sozusagen. Dookhan war die ehrgeizigste Mitarbeiterin. 500 Proben „testete“ sie pro Monat – der Standard lag bei 50 bis 150. Kontrolliert wurden die Arbeiten nie. „Die Folgen von Dookhans Taten sind katastrophal“, verkündet die Richterin Carol S. Ball, „Unschuldige wurden verurteilt, das Rechtssystem in seinen Grundfesten erschüttert, und es wird Millionen von Dollar kosten, das juristische Chaos aufzuklären.“ Seit Dookhans Festnahme ist das Kriminallabor geschlossen und mehr als 300 verurteilte Personen wurden aus der Haft entlassen – wer von ihnen unschuldig ist und wer schuldig, kann nicht mehr bestimmt werden. Hätte so etwas auch in Deutschland passieren können?