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LSD: vom Wundermittel zur Teufelsdroge – und wieder zurück

Foto: Envato / LightFieldStudios

LSD: Vom Wundermittel zur Teufelsdroge – und wieder zurück

Es gibt kaum eine Droge, die mehr polarisiert: Nachdem LSD nach seiner Entdeckung zunächst als Wundermittel der Psychotherapie galt, wurde es ab Mitte der 1960er-Jahre bekämpft wie kein anderes Rauschmittel seiner Zeit. Heute ist die Substanz, die vor über 70 Jahren entdeckt wurde, wieder auf dem Weg zurück zum anerkannten Heilmittel – auch, da sie als illegale Droge kaum noch eine Rolle spielt.

Kaum eine Substanz hat die Pop- und Gegenkultur der 1960er Jahre mehr beeinflusst, als eine geruch- und geschmacklose, klare Flüssigkeit, die auf den etwas komplizierten Namen Lysergsäure-Diethylamid hört – unter dem Kürzel LSD dürfte sie den meisten Menschen ein Begriff sein.

Als Zufallsentdeckung 1943 in einem Schweizer Labor entstanden, hat die Droge in den kommenden Jahrzehnten eine wahre Berg- und Talfahrt in der öffentlichen Wahrnehmung durchgemacht: Zunächst galt sie als Wundermittel in der Psychotherapie, später dann als Teufelsdroge, die die Jugend der Welt in den Wahnsinn treibt. Wie so oft liegt die Wahrheit am ehesten irgendwo dazwischen.

Von der Zufallsentdeckung zum Medikament

Im April 1943 war der Schweizer Chemiker Albert Hofmann in den Labors der Basler Firma Sandoz auf der Suche nach einem Kreislaufmittel. Am 16. April synthetisierte er in diesem Rahmen eine klare Flüssigkeit aus dem „Mutterkorn“ genannten Getreidepilz Claviceps purpurea – das Lysergsäure-Diethylamid. Während der Arbeit berührte er die Substanz mit den Fingern, ohne es zunächst zu bemerken.

Nicht viel später fühlte sich Hofmann krank und fuhr daher mit seinem Fahrrad nach Hause. Schon auf dem Weg bekam er Halluzinationen; zu Hause angekommen wurden diese immer stärker, sogar der Stuhl neben seinem Bett begann in seiner Wahrnehmung zu leben. Hofmann hatte an diesem Tag unwissentlich den ersten LSD-Trip der Geschichte genommen. Da dessen Wirkung auf dem Fahrrad einsetzte, gilt er unter Anhängern der Droge bis heute als Bicycle Day.

Relativ schnell war man sich bei Sandoz sicher, etwas Revolutionäres entwickelt zu haben: Die Substanz löste nicht nur Halluzinationen aus; sie öffnete das Bewusstsein ihrer Konsumenten und schafft so Zugang zu ihrem Unterbewusstsein. Im Jahr 1949 begann man daher mit der industriellen Herstellung von LSD, das als Delysid Einzug in die Psychotherapie hielt. Viele Therapeuten berichteten von teilweise spektakulären Behandlungserfolgen, die sie mithilfe der Droge erreichten.

Es kam schnell zu den ersten Horrortrips

LSD schien ein wahres Wundermittel zu sein – zumindest, wenn es sich in den richtigen Händen befand. Seinem Erfinder war allerdings schnell klar, dass die Droge auch Gefahren birgt: Hofmann warnte bereits früh davor, dass LSD bei unvorsichtiger Anwendung zu sehr unangenehmen Zuständen führen könnte; diese gerieten später unter der Bezeichnung Horrortrips zum Synonym für die negativen Folgen eines LSD-Rauschs.

In den frühen 1960er-Jahren begann LSD in die Popkultur der USA einzusickern. Mit der Hippie-Szene, die zunächst vor allem an der Westküste des Landes wuchs, erreichte die Substanz immer mehr den Status einer Party-Droge. Gemeinsam mit Marihuana und Haschisch wurde „Acid“ („Säure“) zum Synonym für die drogenbejahende Alltagskultur der Blumenkinder – und ihrer Idole. Öffentlich am deutlichsten propagiert wurde die Droge wohl in dem Beatles-Lied „Lucy in the Sky with Diamonds“ – wenn man die Anfangsbuchstaben der Hauptworte des Titels aneinanderreiht, erhält man die Buchstabenfolge LSD.

Aber auch in vielen anderen Liedern, Gedichten, Artikeln und Büchern der Zeit hatte LSD seinen Platz und wurde von manchem Zeitgenossen als Türöffner in eine neue, bessere Gesellschaft betrachtet. Im Zusammenhang mit LSD wurde der Begriff psychedelisch (lat. die Seele öffnend) letztlich zum Schlagwort der Hippie-Ära und zum Inbegriff für den Bewusstseinszustand einer ganzen Generation.

Aber Albert Hofmann – der LSD später in seinen Memoiren als sein Sorgenkind bezeichnete – sollte mit seinen düsteren Vorahnungen recht behalten: Mit der massenhaften Verbreitung von LSD auf den Straßen der US-Metropolen begannen auch die Probleme zuzunehmen. Von Gurus wie dem ehemaligen Harvard-Professor Timothy Leary als Weg in eine bessere Gesellschaft propagiert, nahmen immer mehr US-Amerikaner LSD – und die Anzahl der Horrortrips stieg rasant an. Mit der zunehmenden Zahl an Menschen, die nach der Einnahme von LSD behandelt werden mussten, wuchs auch das Problembewusstsein der US-Behörden.

Im Jahr 1966 wurde LSD dann verboten. Bis heute steht die Substanz in den USA auf der Liste der „Schedule I Drugs“; jener Substanzen also, die besonders gefährlich und suchterzeugend sind ohne einen medizinischen Nutzen zu haben. Diese Einordnung ist allerdings seit jeher umstritten; denn zum einen gilt LSD als nicht-suchterzeugend, zum anderen ist sein medizinischer Nutzen aus der Psychotherapie bereits seit den 1950er-Jahren bekannt.

Der mühsame Weg zurück

Das LSD-Verbot hatte zwar den durchaus positiven Effekt, dass die Droge für Konsumenten nun schwerer zu beschaffen war und damit auch die Anzahl von sogenannten Horrortrips abnahm – doch es führte auch dazu, dass die wissenschaftliche Arbeit mit der Substanz nahezu unmöglich wurde. Es dauerte daher bis in die 1990er-Jahre, ehe wieder zaghafte medizinische Versuche mit dem Halluzinogen unternommen wurden. Seither gibt es immer wieder kleinere Studien, mittels derer die Substanz langsam für die Psychotherapie wiederentdeckt wird. Derzeit ist LSD außerdem als Medikament für Cluster-Kopfschmerzen im Gespräch; einer chronischen Erkrankung, der mit herkömmlichen Behandlungsmethoden kaum beizukommen ist.

Die medizinische Rückkehr von LSD ist sicherlich auch auf dessen mittlerweile verschwindend geringe Bedeutung als illegale Droge zurückzuführen. Ein kleines Revival erlebte es ab Mitte der 1990er-Jahre im Rahmen der Techno-Szene. Doch im Vergleich zu den sogenannten Party-Drogen wie Ecstasy, Amphetamin und Kokain bewegt sich die Nachfrage bis heute auf einem sehr geringen Niveau.

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