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Heckenscherenfische – haben sie bald ausgesägt?

Ungewöhnlich aussehende Fische haben es schwer, denn sie stechen heraus. Doch wer – je nach Art – mit einer bis zu 1,7 Meter langen heckenscherenartigen Kopfverlängerung ausgerüstet ist, fällt nicht nur auf, er bekommt auch Probleme. Sägefische sind große Rochen. Und sie gehören zu den außergewöhnlichsten Fischen, die es gibt.

Die „Heckenscheren mit Flossen“ zählen mittlerweile zu den am stärksten gefährdeten Fischen in den Ozeanen. Denn laut einer neuen Studie sind die meisten der fünf Sägefischarten, die einst an Küsten, in Flussmündungen und Seen von 90 Ländern lebten, heute in mehr als der Hälfte davon ausgestorben. Hauptursachen sind Lebensraumverluste und Überfischung. Sägefische sind leicht zu erbeuten. Mit ihrem zahntragenden Schwert haben sie keine Chance, sich aus Fischernetzen zu befreien. Folglich gerät ihnen die raffinierte „Säge“, mit der sie Beutefische durch blitzschnelles Hin und Her schlagen zerteilen können, zum tödlichen Verhängnis.

Ein Körperteil, das als Waffe und als Sinnesorgan zugleich dient
Die Säge ist ein faszinierendes Multitool. Waffe, Harke und zugleich Sinnesorgan. Das kennt man nur bei wenigen Tieren. Von Narwalen etwa. Doch setzen die Meeressäuger ihr gleichfalls als Sinnesorgan tätiges Einhorn nur zu innerartlichen Auseinandersetzungen ein. Sägefische sägen furchtbar schnell. Kaum sichtbar für das menschliche Auge. Mehrmals pro Sekunde schlagen sie in Rechts-links-Bewegungen in einem Fischschwarm damit hin und her. Beutetiere werden dadurch entweder zweigeteilt oder auf die Sägezähne gespießt. Zusätzlich setzen sie ihre Kopfverlängerung zum Wühlen nach Krebstieren im Meeresboden ein. Außerdem ist das Superwerkzeug auch noch geeignet, elektrische Felder anderer Fische zu lokalisieren.
Erstmals ist ein weitverbreiteter Meeresfisch vom Aussterben bedroht
Wissenschaftler der Simon Fraser University (SFU) aus British Columbia, Kanada, warnen in einer auf Science Advances (American Association for the Advancement of Science/AAAS) veröffentlichten Studie vor dem Aussterben der Sägerochen. „Damit dokumentieren wir die ersten Fälle, in denen weitverbreitete Meeresfische durch Überfischung vom lokalen Aussterben bedroht sind“, betont Nick Dulvy, Professor für Biologie an der SFU.Von den fünf Arten von Sägefischen sind drei vom Aussterben bedroht, während zwei auf der Roten Liste der bedrohten Arten der Weltnaturschutzorganisation IUCN als stark gefährdet eingestuft sind. In 55 Ländern gelten sie bereits als ausgestorben. Außerdem fehlt in weiteren 18 Ländern mindestens eine Sägefischart. Zusätzlich gibt es 28 Länder, in denen zwei Arten verschwunden sind. Als ausgestorben gelten sie beispielsweise in den Gewässern vor China, dem Irak, Haiti, Japan, Timor-Leste, El Salvador, Taiwan, Dschibuti und Brunei.
Dank internationaler Bemühungen gibt es noch Hoffnung
US-Behörden versuchen viel, um die urtümlichen Knorpelfische zu retten. So setzte NOAA eine Belohnung von 20.000 US-Dollar für Hinweise zur Ergreifung von Sägefisch-Wilderern aus. Im Oktober 2020 hatte ein Ranger im Everglades-Nationalpark in der Nähe von Everglades City 7 tote und verstümmelte Schmalzahn-Sägerochen gefunden. Die Umweltorganisation Center for Biological Diversity erhöhte die Belohnung noch auf 25.000 Dollar. Wer erwischt wird, dem drohen hohe Strafen. Von bis zu 100.000 Dollar Geldstrafe oder oder einem Jahr Gefängnis ist die Rede. 
Hoffnung für die Heckenscherenfische gibt es auch noch in Kuba, Tansania, Kolumbien, Madagaskar, Panama, Brasilien, Mexiko und Sri Lanka. Doch nur, wenn diese Länder schnell Maßnahmen für den Erhalt der Meeressäger in die Wege leiten. „Auch wenn die Situation kritisch ist, hoffen wir, die schlechten Nachrichten ausgleichen zu können, indem wir diesen Ländern ihre hervorragende Bedeutung deutlich machen. Sie können Sägefische in ihren Gewässern retten“, hofft Helen Yan von der SFU. „Es ist immer noch möglich, die Bestände in mehr als 70 Prozent ihres historischen Verbreitungsgebiets wiederherzustellen, wenn jetzt gehandelt wird“.

Die Säge des Sägefischs – eine beliebte Trophäe
Die ungewöhnliche Fischwaffe ist als illegale Trophäe beliebt. Flossen und Zähne der Tiere werden für Lebensmittel oder Medikamente sowie als Sporen für den Hahnenkampf verkauft. Ein wenig hilft, dass der Handel mit Sägefischprodukten gemäß dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) verboten ist. „Noch gibt es Chancen, diese außergewöhnlichen Tiere vor der Ausrottung zu bewahren und sie zurückzubringen“, erklärt Sonja Fordham, Forscherin der Studie und Präsidentin von Shark Advocates International. Doch sie warnt zugleich: „An zu vielen Orten läuft uns die Zeit davon, um sie zu retten“. Wie bei Knorpelfischen üblich, benötigen auch Sägerochen lange, bis sie ihre Geschlechtsreife erreichen. Etwa 10 Jahre dauert das. Und dann vermehren sie sich auch nur langsam. Dadurch sind die Bestände schnell überfischt.
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