Die Entstehung des Plattenkalks
Vor 150 Millionen Jahren lagen die Gebiete des heutigen Bayern – genau wie viele andere Teile Europas – unter Wasser. In der Region um Solnhofen bestimmten Lagunen die Landschaft, das heißt, einzelne Becken waren durch Riffe vom Meer getrennt. Hier entstand der Plattenkalk: Ton vom Festland und Kalk aus dem Wasser vermischten sich. Lagerte sich dieses Gemisch auf dem Meeresboden ab, entstanden für uns heute unbrauchbare Kalkschichten. Doch wenn Stürme mehr Kalkschlamm über die Riffe in die Lagunen spülten, änderte sich das Gemisch – es bildeten sich die Schichten, die heute als Plattenkalk weltberühmt sind. Im Laufe der Jahrmillionen verfestigte sich der Schlamm schließlich zu Stein.
Am Boden der Lagunen gab es damals keine Tiere, zu lebensfeindlich waren dort die Bedingungen. Unter anderen Umständen hätte sich der Plattenkalk auch nicht bilden können, da solche Bewohner die verschiedenen Schlammschichten durchmischt hätten. Erstaunlich ist, dass man dennoch eine Vielzahl einzigartiger Tierfossilien im Solnhofener Plattenkalk gefunden hat.

Archaeopteryx – der Stammvater der Vögel
Zur ersten sensationellen Entdeckung kam es im Jahr 1860: Man fand in Solnhofen eine fossile Feder im Kalkstein, die heute im Paläontologischen Museum in München zu sehen ist. Bis dahin waren aus der Jurazeit lediglich schuppenbedeckte Dinosaurier bekannt. Bereits im folgenden Jahr fand man den Träger der Feder, den Urvogel Archaeopteryx (Bild). Bis heute wurden von diesem Stammvater unserer heutigen Vögel zehn vollständige Exemplare gefunden, alle versteinert im Solnhofener Plattenkalk.
Doch wie geriet ein solcher flugfähiger kleiner Raubsaurier einst auf den Lagunen-Grund? Das Szenario der Wissenschaftler: Ein starker Sturm drückte einen über dem Wasser kreisenden Urvogel auf das Jura-Meer hinaus. Als das Tier keine Kraft mehr hatte gegen den starken Wind anzukämpfen, stürzte es ab und ertrank. Der Archaeopteryx sank auf den Grund der Lagune, feiner Kalkschlamm begrub ihn unter sich. Im Laufe der Jahrmillionen wurde das Tier von Mineralien durchsetzt und der Schlamm zu Sedimentgestein. Und da der Sand in der Gegend von Solnhofen besonders fein ist, zeigt das in unserer Zeit gefundene Fossil selbst solche Details wie Federn.
In vielerlei Hinsicht einzigartig
Die Besonderheit des Solnhofener Plattenkalks zeigt sich in vielen Bereichen. Er ist nicht nur ein hochwertiger Baustoff, sondern auch bei Künstlern sehr beliebt. Und da er sehr sorgsam abgebaut werden muss und nicht gesprengt werden darf wie normaler Kalk, ist die Chance hier viel höher Fossilien zu finden.
Bisher wurden Spuren von mehr als 250 Pflanzen und 750 Tierarten gefunden. Die Überreste des Archaeopteryx, des Quastenflossers, der Urlibelle und des Pfeilschwanzkrebses geben uns erstaunliche Einblicke in die Entwicklung des Lebens. Somit haben wir dank des Solnhofener Kalksteins nicht nur ein wunderschönes Badezimmer – wir lernen aus ihm auch unsere Welt besser zu verstehen.
Wer selbst nach Fossilien suchen will, kann dies in den Hobbysteinbrüchen von Solnhofen, Eichstätt oder Mörnsheim tun. Dort kann jeder gegen eine kleine Gebühr mit Hammer und Meisel arbeiten. Alle gefundenen Fossilien dürfen mit nach Hause genommen werden.
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