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Hamas-Überfall auf Israel: Wenn Frieden nicht verhandelbar ist

Foto: Envato / wirestock

Hamas-Überfall auf Israel: Wenn Frieden nicht verhandelbar ist

Mit dem Überfall der islamistischen Terror-Organisation Hamas auf Israel hat sich ein neuer und trauriger Höhepunkt dieses Dauerkonflikts ereignet, bei dem bislang über 1400 Menschen in Israel ihre Leben lassen mussten – unter anderem durch über 2000 Raketen, die allein am 7. Oktober aus Hamas-Geschützen gen Israel abgefeuert wurden. Welt der Wunder ordnet die aktuellen Ereignisse in den historischen Gesamtkontext ein.

Der 7. Oktober dieses Jahres wird als Tag in Erinnerung bleiben, an dem auf erschütternde Weise deutlich wurde, dass auch über 70 Jahre intensive Friedensbemühungen erfolglos bleiben, wenn Fanatismus jede Annäherung erschwert.

Der aktuelle Krieg zwischen Israel und Palästina: eine Übersicht

Samstag, 7. Oktober 2023: Begleitet von Luftangriffen überfallen Truppen der Hamas das israelische Grenzgebiet und dringen in grenznahe Dörfer ein, ermorden jüdische Bürgerinnen und Bürger und töten allein auf einem in der Nähe des Kibbuz Be’eri stattfindenden Musikfestival laut Angaben israelischer Behörden über 250 am Festival Teilnehmende. Im Kibbuz selbst wurden über 100 Bewohnerinnen und Bewohner Opfer der Gräueltaten der Hamas-Kämpfer.

Darüber hinaus wurden von den Aggressoren knapp 200 Geiseln nach Gaza entführt, zu denen noch heute, zehn Tage nach dem Überfall, kein Kontakt besteht. Seit dem 7. Oktober steht der Süden Israels unter akutem Raketenbeschuss, sodass täglich neue Opfer der aktuellen Eskalation hinzukommen.

Die israelischen Vergeltungsschläge durch den Einsatz der Luftwaffe und Artilleriebeschuss ließen nicht lange auf sich warten. Im Gazastreifen haben die Behörden bislang über 2000 Tote gemeldet, die israelischen Vergeltungsschläge haben eine Fluchtwelle ausgelöst, von der besonders der Süden des Gazastreifens betroffen ist. Allerdings weigern sich die Anreinerstaaten Libanon, Syrien und Ägypten bislang, Flüchtende aus dem Gazastreifen aufzunehmen. Es herrscht Mangel an Trinkwasser, medizinischer Versorgung und Nahrungsmitteln.

Derzeit, zehn Tage nach dem Überfall der Hamas, spekulieren Beobachter über eine bevorstehende Bodenoffensive, mit der das israelische Militär den Gazastreifen unter seine Kontrolle bringen will. Die USA und die westliche Welt haben ihre Solidarität zu Israel bekundet, während sich die arabische Welt hinter ihre Glaubensbrüder im Gazastreifen stellt. Nach Jahren internationaler Bemühungen um eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts scheinen die Fronten sich zunehmend zu verhärten und eine politische, friedliche Lösung scheint weiter entfernt denn je.

Fünf Kriege in 16 Jahren: Ein Konflikt ohne echte Lösungschance

Zur Erinnerung: In den ersten Monaten des von der Corona-Pandemie dominierten Jahres 2021 kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern in Jerusalem, die durch Zwangsräumungen palästinensischer Häuser im Stadtzentrum Jerusalems ausbrachen. Die Unruhen weiteten sich auf alle Städte aus, in denen Palästinenser und jüdische Bewohner zusammenleben, darunter das Westjordanland, die Städte Jerusalem, Lod, Akko sowie Stadtteile in Tel Aviv.

Resultat der Unruhen war ein militärischer Konflikt, der sich über einen Zeitraum von elf Tagen erstreckte und nach Ablauf eines von der Hamas gestellten Ultimatums am 10. Mai 2021 mit massiven Raketenangriffen auf Israel durch die Hamas ausbrach. Im Kriegsverlauf starben auf israelischer Seite 13 Menschen, Vergeltungsschlägen der israelischen Armee fielen in Gaza 248 Menschen zum Opfer. Beigelegt wurde der militärische Konflikt am 21. Mai 2021 durch die Vermittlung Ägyptens, die eine Waffenruhe zwischen den Konfliktparteien zustande brachte.

Hamas-Überfall auf Israel: Wenn Frieden nicht verhandelbar ist
Foto: Wikimedia Commons / Ecrusized / CC BY-SA 4.0

50 Tage Gaza-Krieg im Jahr 2014

Auch im Jahr 2014 herrschte Krieg zwischen Israelis und Palästinensern. Nach langen Jahren der Unversöhnlichkeit und gegenseitiger Ablehnung hatten die Hamas und Fatah im Juni 2014 erstmalig eine gemeinsame Regierung gebildet.

Israel reagierte hierauf mit einem Abbruch der damaligen Friedensgespräche, obwohl die politische Initiative und eine gemeinsame Regierung der bislang konkurrierenden Parteien Hamas und Fatah weltweit als positives Signal aufgenommen worden waren. Die Morde an sowohl jüdischen als auch palästinensischen Jugendlichen führten zu schweren Ausschreitungen zunächst in Jerusalem, später auch im Westjordanland.

Es folgen Raketenangriffe aus dem Gazastreifen auf Ziele in ganz Israel, die die israelische Regierung mit einer Mobilmachung und Vergeltungsangriffen quittierte. Der militärische Konflikt erstreckte sich über 50 Tage bis zum 26. August 2014, dem Tag, an dem die Vermittlung Ägyptens eine dauerhafte Waffenruhe erwirkt. Allein in diesem Konflikt kamen über 2200 Palästinenser ums Leben, über 10.000 wurden verletzt. Auf israelischer Seite beklagte man 64 gefallenen Soldaten sowie drei zivile Opfer und mehrere hundert Verletzte.

Militärischer Gaza-Konflikt 2012

Als „Operation Wolkensäule“ ging die Militäroffensive Israels gegen die Hamas im November 2012 in die traurige Konfliktgeschichte zwischen Israel und Palästina ein. Sie wurde von der damaligen israelischen Regierung als Gegenschlag für dauerhaften Raketenbeschuss israelischer Städte durch die Hamas gerechtfertigt.

Neben Vergeltungsschlägen durch Raketen setze die israelische Armee in dem acht Tage andauernden Krieg auch die Luftwaffe ein, um militärische Einrichtungen der Hamas zu zerstören. Durch den massiven Raketenbeschuss starben 177 Palästinenser, darunter rund hundert Zivilisten. Auf israelischer Seite wurden sechs Menschen getötet, darunter vier Zivilisten.

Wichtig zur Einordnung: Kurz nach dem Krieg im November 2012 erhielt die Vertretung der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) bei den Vereinten Nationen den Beobachterstatus und somit eine vorläufige Anerkennung als Staat. Damit war de facto der Staat Palästina von einer großen Mehrheit der Vereinten Nationen als Staatsgebilde anerkannt.

Allerdings verwenden die Mitgliedsstaaten, die damals nicht für eine völkerrechtliche Aufwertung stimmten, bis heute den Begriff „Palästinensische Autonomiebehörde“. Der Beobachterstaus ist ein wichtiger Schritt zur Erlangung einer Vollmitgliedschaft als Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen. Diesen Status hat Palästina jedoch bis heute noch nicht erlangt.

Gaza-Konflikt zum Jahreswechsel 2008/2009

Die „Operation Gegossenes Blei“ steht für den drei Wochen anhaltenden Krieg zwischen Israel und der Hamas von 27. Dezember 2008 bis zum 18. Januar 2009. Auch diesen massiven militärischen Gegenschlag begründete Israel mit dauerhaftem Raketenbeschuss militärischer wie ziviler Ziele in Israel durch die radikal islamistische Hamas in den Vormonaten.

Die Vereinten Nationen verurteilten sowohl die Raketenangriffe der Hamas als auch die Luftangriffe durch die israelische Armee im Gazastreifen aufs schärfste. Auf palästinensischer Seite wurden bis zu 1417 Todesopfer gezählt, Israel bezifferte die Anzahl der Todesopfer auf 13 getötete Zivilisten. Der Konflikt endete durch eine einseitig erklärte Waffenruhe durch Israel am 18. Januar 2009.

Historie des Nahostkonflikts: ein religiöses Pulverfass und gegenseitige Gebietsansprüche

Palästina, dessen Landesfläche sich zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer befindet, wurde etwa 1300 v. Chr. nachweislich von jüdischen Nomaden besiedelt. Weit zuvor wurde das Gebiet allerdings von Kanaanitern besiedelt, als deren Nachkommen sich noch heute große Teile der aktuellen Bevölkerung Palästinas bezeichnen. Über die Jahrtausende wechselten sich die Herrscher in der Region ab. Perser, Römer, Byzantiner und muslimische Araberstämme wurden ansässig in der Region und besiedelten nacheinander das heutige Palästina.

Unter römischer Herrschaft im ersten Jahrtausend n. Chr. begann die Vertreibung der jüdischstämmigen Bevölkerung und Jerusalem wurde spirituelles und fortan stets umkämpftes Zentrum des christlichen Glaubens. Im 7. Jahrhundert errichteten gläubige Moslems auf dem Tempelberg den Felsendom und manifestierten so ihren religiösen Anspruch auf Jerusalem. Dieser Bau ist der gleichsam der Beginn eines bis heute präsenten Schmelztiegels der Religionen. Muslime, Christen und Juden bevölkern hier auch heute ein Gebiet, das jede Gruppierung auf eine eigene Art für sich allein beansprucht.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Palästina Teil des Osmanischen Reiches. Nach dem Zweiten Weltkrieg fiel das Gebiet unter britische Verwaltung, gleichzeitig wanderten immer mehr jüdische Familien aus der ganzen Welt in Palästina ein. Die Briten schafften es während ihres beinahe 30-jährigen Protektorats nicht, zu einer friedfertigen und gerechten Aufteilung des Landes zwischen den jüdischen und palästinensischen Bevölkerungsgruppen beizutragen und übergaben ihr Mandat 1945 an die Vereinten Nationen.

Teilungsbeschluss durch die Vereinten Nationen vom 29. November 1947

Ein von den Vereinten Nationen eingesetztes Komitee teilte 1947 Palästina im Sinne eines jüdischen und eines palästinensischen Staates auf. Delikaterweise waren zu diesem Zeitpunkt etwa 90 Prozent des Landbesitzes in Händen von palästinensischen Familien. Gleichwohl wurden durch den UN-Beschluss nur 43 Prozent des damaligen Landes des ehemaligen britischen Mandatsgebietes Palästina und seinen 1,3 Millionen Bewohnern zugesprochen. Die damals 600.000 Juden, die in Palästina lebten, erhielten 56 Prozent des besiedelbaren Landes.

Die israelische Unabhängigkeitserklärung führt 1948 zum Krieg

Als Israel am 14. Mai 1948 seine Unabhängigkeit deklarierte, blickte die Welt gebannt nach Palästina, denn ein unerbittlich geführter Gebietsaufteilungskrieg sollte schon am Folgetag ausbrechen.

Die muslimischen Anrainerstaaten Syrien, Ägypten, Libanon und der Irak machten mobil gegen den jungen Staat Israel und griffen zu den Waffen. Resultat dieses ersten blutigen Konflikts im Nahen Osten war ein deutlicher Gebietszuwachs für Israel in neu gesteckten Grenzen, die in etwa noch das heutige Staatsgebiet Israels definieren.

In der Folge der militärischen Auseinandersetzung flohen hunderttausende Araber aus ihren Dörfern und suchten Schutz im Westjordanland, das unter dem Schutz Jordaniens stand, sowie dem von Ägypten eroberten Gazastreifen. Syrien sicherte sich die in der Folge stets umkämpften Golanhöhen und Ägypten annektierte Ost-Jerusalem als territoriale Folgen des Krieges.

Seitens der UN wurden nach Kriegsende immer wieder Forderungen an Israel artikuliert, den vertriebenen Palästinensern ein Rückkehrrecht zu gewähren oder Entschädigungen zu leisten, was seit jeher einer der wesentlichen Streitpunkte ist. Bis heute ist zwischen den damaligen Kriegsparteien kein Friedensvertrag unterzeichnet, generell besteht ein 1949 bilateral geschlossenes Waffenstillstandsabkommen, das unter Vermittlung der Vereinten Nationen zustande kam.

Hamas-Überfall auf Israel: Wenn Frieden nicht verhandelbar ist: Der Teilungsplan der Vereinten Nationen von 1947
Foto: Wikimedia Commons / Furfur / Gemeinfrei

Israel und Palästina: der Status Quo heute

Israel verfügt aktuell über ein Staatsgebiet, das 20.766 Quadratkilometer umfasst, von denen es etwa 80 Prozent als souveräner Staat für sich beansprucht. Gut 20 Prozent beansprucht Israel als Folge des Sechstagekrieges im Jahr 1967 als Besatzungsmacht für sich. In Israel leben 9,3 Millionen Menschen, von denen 74 Prozent praktizierende Jüdinnen und Juden sind, dazu kommen gut 20 Prozent Araberinnen und Araber. Die wichtigsten Städte sind die Hauptstadt Jerusalem, Tel Aviv und die Industrie- und Hafenstadt Haifa.

Palästina ist von einem großen Teil der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen als eigenständiger Staat anerkannt, wenngleich Israel für einen Teil des palästinensischen Staatsgebietes ein Besatzungsrecht für sich in Anspruch nimmt. Zum heutigen Palästina gehören das Westjordanland (Westbank) mit der Gebietshauptstadt Ramallah, die Hauptstadt Ostjerusalem und der ehemals unter ägyptischem Protektorat stehende Gazastreifen mit Gaza Stadt als politischem und gesellschaftlichem Zentrum.

Alle drei Gebiete unterstehen der Palästinensischen Autonomiebehörde, der sämtliche Verwaltungsaufgaben obliegen. Das Staatsgebiet umfasst gut 6000 Quadratkilometer, wobei der Gazastreifen mit 365 Quadratkilometern den deutlich kleineren Landesteil darstellt. Die Bevölkerung umfasst 5,35 Millionen Einwohner, von denen etwa 97 Prozent muslimischen Glaubens sind, lediglich zwei Prozent der Bevölkerung gehören christlichen Glaubensgemeinschaften an.

Hamas und Fatah: Ungleiche Brüder im Glauben

Die Fatah wurde 1959 als Guerilla-Organisation vom späteren PLO-Chef Jassir Arafat gegründet und wurde international bis 1993 als Terrororganisation eingestuft. Heute ist sie die dominierende Partei und Stimme Palästinas und stellt den amtierenden Palästinenser-Präsidenten Mahmoud Abbas. hat entscheidenden Einfluss im Westjordanland und hat sich äußerst kritisch zu dem jüngsten Überfall auf Israel durch die Hamas geäußert.

Die Hamas wurde 1987 als Untergruppierung der Muslimbruderschaft gegründet und gilt weltweit als Terror-Organisation. Ihr proklamiertes Ziel ist die Zerschlagung des Staates Israel und an dessen Stelle die Gründung eines islamischen Staats im ehemaligen Gebiet Palästinas in den Grenzen vor 1948. Nach einem Wahlsieg im Jahr 2006 übernahm die Hamas in bürgekriegsähnlichen Zuständen die Kontrolle über den Gazastreifen. Immer wieder macht die Hamas durch Selbstmordattentate gegen Juden auf sich aufmerksam.

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