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Fake-News: keine Neuheit der Corona-Pandemie

Foto: Envato / twenty20photos

Fake-News: keine Neuheit der Corona-Pandemie 

Impfungen seien mit Mikrochips versetzt, Masken seien gesundheitsschädlich und Corona sei ohnehin nicht schlimmer als die Grippe. Das sind nur einige Beispiele von Fake News der Corona-Pandemie. Egal wie absurd: Es wird immer wichtiger sich vor Fake News zu schützen.

September 2020: Der Facebook-Post einer Neurologin geht viral. In zahlreichen mit den Querdenkern verbündeten Telegramm-Accounts verbreitet sich das Video wie ein Lauffeuer. Sie behauptete, dass das Tragen einer Gesichtsmaske zu Sauerstoffmangel und einer „Kohlendioxidüberflutung“ führe. Oktober 2020 war eine der kritischsten Phasen der Pandemie. Zeitgleich besuchte die Neurologin eine Querdenker-Demo in Konstanz und versprach allen, falsche Atteste auszustellen, die sich von der Masken-Pflicht befreien wollten. 

Fake News gehen viral: mehr als 400.000 Views

Doch die Behauptungen der Neurologin waren falsch. Masken können nach längerem Tragen unangenehm werden. Manche haben beim Laufen oder bei hohen Temperaturen das Gefühl, darunter nur schwer atmen zu können. Doch gängige Schutzmasken funktionieren so, dass sie bei korrekter Anwendung keine potenziell ansteckenden Aerosole durchlassen. Wesentlich kleinere Sauerstoffmoleküle dringen aber problemlos hindurch. Dennoch hatten mehr als 30.000 Facebook-Userinnen und User den Beitrag geteilt. Mehr als 400.000 Mal wurde das Video abgespielt. Bis heute weigern sich Menschen Masken zu tragen, weil sie glauben, darunter zu ersticken.

Falschinformationen sind kein Phänomen der sozialen Netzwerke

„Falschinformationen gab es schon immer“, sagt Dr. Eugène Loos. Er forscht an der Universität von Utrecht am Phänomen Fake News. „Seit [der Ära der] Social Media ist es viel einfacher geworden, Fake News zu produzieren und zu verbreiten.“ Doch laut Loos sei das Verbreiten von Falschinformationen „so alt wie die Welt“. In kleinen Gemeinschaften verbreiteten sich Fake News genauso gut wie auf sozialen Netzwerken, so der Professor. Hier wäre es wichtig, zu versuchen, die Menschen persönlich und vor Ort zu erreichen und Personen mit Vorbildfunktion in Informationskampagnen einzuspannen.  

Der Kampf gegen Fake News ist also nicht nur auf Social Media zu gewinnen. Doch Lügen im Netz sind gefährlich, weil sie sich nicht an geografische, sprachliche oder kulturelle Grenzen halten müssen. Auch klassische Hierarchien gelten nicht. Sowohl Privatpersonen als auch Bewegungen – wie Querdenker, die Identitären oder Reichsbürger – verbreiten seit Beginn der Pandemie Falschnachrichten zu Corona, die millionenfach geklickt, geladen und geteilt werden.  

Filter-Bubbles und Echokammern: kein Platz für Perspektiven

Die Anziehungskraft von solchen Falschmeldungen erklärt Loos mit Unsicherheit. Unsicherheit, die Menschen in einer unübersichtlichen, chaotischen Welt spüren. Viele suchen nach einer Erklärung für die neue Lebenssituation. „Durch die Algorithmen bekommen Menschen auch immer das zu sehen, was ihren Vorlieben entspricht. Und einige Menschen landen dann in einer sogenannten Filter-Bubble oder einer Echokammer.“  

Eine Filter-Bubble beschreibt ein Phänomen, bei dem Menschen nur die Information in Feeds sehen, die ihren Meinungen entsprechen. Alles, was der eigenen Weltanschauung widerspricht, wird herausgefiltert. Aus der Filter Bubble könnte eine Echokammer entstehen. Dort wird alles, was wir als wichtig empfinden, von anderen Medien wiederholt. Die eigene Meinung wird durch das Medienecho verstärkt. So wird die Wahrnehmung vom Weltgeschehen verzerrt. Da wieder herauszukommen, ist laut Loos schwierig.  

Algorithmen bevorzugen Fake News

Damit wir weniger Desinformation in unseren Feeds sehen, haben Tech-Giganten, wie Facebook, Google und Twitter versprochen, Fake News zur Corona-Pandemie zu bekämpfen. Allerdings stehen die Versprechen der Social-Media-Unternehmen im Widerspruch zu neuesten Enthüllungen. Die Whistleblowerin Frances Haugen beschrieb 2021 wie Facebook trotz besseren Wissens weggeschaut habe, während Desinformation auf der Plattform kursierte.  

Ein Beispiel dafür ist das bereits erwähnte Video der Neurologin. „Da hätte man wesentlich früher reagieren müssen“, so Matthias Bau. Er ist Fact-Checker beim Recherchezentrum Correctiv und sieht täglich die absurdesten Fake News und Verschwörungstheorien. „Der Facebook-Algorithmus ist einfach so gestrickt, dass er Desinformationen bevorzugt, damit Leute länger auf der Plattform bleiben. […] Ich denke, da gibt es auf jeden Fall Nachbesserungsbedarf.“  

„Wenn man es einmal glaubt, dann kannst du es knicken“

Correctiv hat eine Kooperation mit Facebook. Baus Team checkt Inhalte, die gleichzeitig mit den ursprünglichen Fake-News-Beiträgen angezeigt. Doch wer jetzt denkt, dass Bau nur Posts von politischen Randgruppen und älteren Wutbürgern aufdeckt, irrt. Denn ein allgemeines Profil haben Fake-News-Anhänger nicht.  

Laut Loos könnte jede und jeder in einen Strudel von Desinformation geraten. Es läge also weder am Alter noch am Geschlecht, der Herkunft oder an der politischen Gesinnung, wer Fake News verbreitet. Allerdings ist eines für Loos sicher: „Wenn man es einmal glaubt, dann kannst du es knicken.“ Das liegt laut Loos an der kognitiven Dissonanz, also dem Widerspruch zwischen unterschiedlichen Informationen. Wer also tatsächlich überzeugt ist, findet schwer zurück zur Wahrheit. Was kann man also tun, wenn Verwandte und Freunde beginnen, sich in Desinformation und Verschwörungstheorien zu verlieren? 

Der Weg aus dem Fake-News-Strudel

Wer Verwandte oder Bekannte hat, die Desinformation oder sogar Verschwörungstheorien aufgesessen sind, sollte den Kontakt nicht abbrechen. Laut Loos hilft es, Betroffene auf emotionaler Ebene zu erreichen und nicht nur mit Fakten zu kontern. Am besten zeigt man Angehörigen, dass sie einem wichtig sind. Man sollte sie nicht isolieren. Denn je mehr man Menschen abschottet, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie in eine Parallelwelt mit alternativen Fakten abdriften.  

Aber was, wenn man sich selbst einmal unsicher ist? „Man kann zunächst auf seine Reaktion achten“, so Bau von Correctiv. „Emotionalisiert mich eine bestimmte Meldung sehr stark? Das ist oft schon ein Warnsignal.“ Er schlägt dann vor, nochmal zu überlegen, worum es eigentlich geht. Woher kommt die Meldung? Ist es eventuell eine Whats-App-Nachricht ohne Quellenangabe? Dann lohnt es sich laut Bau noch einmal genauer hinzusehen. Auch bei Websites sollten Lesende kurz das Impressum checken, um zu prüfen, ob die Website Verantwortliche auflistet.  

Bildung und Faktenchecks gegen Fake News

Bei einer privaten Nachricht lohnt es sich, auch beim Sender nachzufragen, woher die Information stammt. Auch auf der Correctiv-Website findet man Bildungsangebote, die beim Thema Fake News aufklären. Laut Bau gibt es das Angebot, damit Correctiv irgendwann weniger Falschnachrichten gegenchecken muss. Die Menschen sollen eigenständig in der Lage sein, über die Echtheit einer Nachricht zu urteilen. 

Auch Loos besteht in erster Linie auf Bildung als Mittel gegen Fake News. Er meint, dass jedermann Schritte unternehmen kann, um Informationen zu prüfen. Loos kooperiert mit Bildungseinrichtungen, die sich auf Medienkompetenz spezialisieren. Der Professor sagt auch: „Auf Dauer wäre es das Beste, wenn jeder Bürger selbst entscheiden kann und imstande ist, für sich selbst abzuwägen.“  

Fachbegriffe zum rund um Fake News

  • Falschinformation: Gleich wie Fehlinformation, Information, die ungeachtet der Intention verbreitet wird.
  • Desinformation: gezieltes Verbreiten von Falschinformationen, um Menschen zu täuschen
  • Fake News: wörtlich: „Gefälschte Nachrichten“, Informationen in Form von Texten, Fotos oder Videos, die nicht der Wahrheit entsprechen.
  • Verschwörungstheorien: der Versuch, einen Zustand, ein Ereignis oder eine Entwicklung durch eine Verschwörung zu erklären.
  • Filter-Bubble: Durch diese Personalisierung auf Websites durch Algorithmen werden die Nutzer:innen von Informationen isoliert, die nicht ihrer Meinung entsprechen.
  • Echo Chamber oder Echokammer: Informationen, die wir als wichtig bewerten, werden überproportional häufig wiederholt, sodass wir eine verzerrte Wahrnehmung vom Geschehen haben.

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