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Foto: APT_Livigno

Getreide-Visionär: Roggenanbau auf 1.800 Meter

In Livigno wächst nach 100 Jahren wieder Roggen auf 1.816 Metern Höhe. Benedet Raisoni hat dafür die passende Sorte auf der ganzen Welt gesucht. Jetzt will der 70-Jährige auch den Weizen zurückholen.

Warum es im Tal keinen Roggen mehr gibt, fragte sich Benedet Raisoni schon seit er 12 Jahre alt ist. Also bereits seit knapp sechs Jahrzehnten. Der 70-Jährige kann sich noch genau daran erinnern, dass sein Großvater früher Roggen und Gerste in Livigno, Italien, angebaut hat. Auf 1.816 Metern. Doch irgendwann hat er damit aufgehört. Das war im Jahr 1910. Solange ist auf dem Hochplateau kein Roggen mehr gewachsen. Der junge Benedet erkundigte sich deshalb als Schüler bei seinem Lehrer, warum der Roggen nicht mehr wachse. „Es ist der Lauf der Dinge“, bekam er von ihm als Antwort. Damit wollte sich Raisoni nicht abfinden. Er recherchierte auf der ganzen Welt und gab sich nie mit dem Thema zufrieden. „Es war nicht leicht, den richtigen Roggensamen zu finden, der auch auf über 1.800 Meter Seehöhe mit einer entsprechend kurzen Vegetationsperiode noch gedeiht“, erzählt Seniore Raisoni. Bis er auf einem „Maso“ (Bauernhof) in Bozen auf einen speziellen Roggensamen stieß. Ganze drei Jahre hat es gedauert bis der Roggen in Livigno angebaut werden konnte und die ersten Erträge geliefert hat. Heute betreibt Raisoni neben seiner Alm im Federia Tal mit sechs Kühen und elf Ziegen, ein 800 Quadratmeter großes Feld. 180 Kilogramm Roggen können dort jährlich geerntet werden. Die lokalen Bäckereien verarbeiten das Mehl und die Kleie zu Brot und den nach seiner Familie benannten Moscin-Keksen. Aber ganz zufrieden ist Benedet Raisoni damit noch nicht. 

Zu 100 Prozent regional

Für die Herstellung des Roggenbrots muss das Mehl mit einem Weizenmehl gemischt werden. Dieses stammt nicht aus Livigno. Für Benedet Raisoni ein Unding. Deswegen macht er sich jetzt auf die Suche nach einem Weizen, der in solch großer Höhe ausgesät werden kann. Das Problem dabei? Das Getreide wächst grundsätzlich am liebsten in trockenen und warmen Sommern. Benedet sieht darin keinen Hinderungsgrund und will in Livigno genug Weizen anbauen, damit man vor Ort Brot aus Zutaten backen kann, die zu 100 Prozent aus der Region stammen. Und das ist ganz nach dem Geschmack der Livignasci: Da der Ort lange Zeit und vor allem während der Wintermonate auf sich allein gestellt war, hat sich hier eine ganz eigene Esskultur entwickelt, die noch heute vorwiegend auf regionale Zutaten, wie Rüben oder Buchweizen, zurückgreift und traditionelle Gerichte und Rezepte nicht in Vergessenheit geraten lässt. Dazu haben sich sogar die lokalen Köche und Konditoren zusammengetan und ein Buch – „Leina da saor – An avalanche of tastes“ – herausgegeben, das die traditionelle Küche feiert.

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