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De-Globalisierung: Die Lösung für deutsche Unternehmen?

Foto: Envato / BrianAJackson

De-Globalisierung: die Lösung für deutsche Unternehmen?

Krisen wie die Corona-Pandemie und der aktuelle Ukraine-Krieg führen bei vielen zu Verunsicherung. Auch und gerade die Globalisierung wird infrage gestellt. Sollten deutsche Unternehmen lieber unabhängig vom Ausland werden? Ist also eine Anti-Globalisierung, eine De-Globalisierung, die Lösung in einer unübersichtlichen, krisengeplagten Welt?

Zahlreiche Unternehmen in Deutschland erzielen mehr als die Hälfte ihres Umsatzes mit dem Ausland. Am Exportgeschäft hängen viele inländische Arbeitsplätze. Und der weltweite Handel sorgt für eine Vielzahl von Produkten und Dienstleistungen, einen kreativen Wettbewerb zwischen Ländern und Unternehmen und eine kostengünstige Produktion.

In jüngster Vergangenheit ist allerdings die Globalisierungs-Dynamik merklich zurückgegangen. Lieferkettenprobleme und Ressourcenknappheit bedingt durch Corona-Pandemie, Ukrainekrieg, Protektionismus einiger Länder und weitere wirtschaftspolitische Krisen trugen dazu bei.

Was Globalisierung und De-Globalisierung bedeuten

Unter Globalisierung wird eine über Landesgrenzen hinausreichende, weltweite Vernetzung verstanden. Es handelt sich um politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Beziehungen zwischen Staaten. Beispielsweise sind zahlreiche Autos „globale Produkte“: Sie werden in bestimmten Ländern hergestellt, aus anderen Ländern stammen Rohstoffe und Vorprodukte, Marketing und Vertrieb wiederum können aus verschiedenen Ländern gesteuert werden.

Einen Gegenentwurf zu Globalisierung stellt die De-Globalisierung dar. Das heißt, der weltweite Handel, der globale Austausch von Gütern und Dienstleistungen nimmt ab – Staaten ziehen sich ganz oder teilweise aus dem Welthandel zurück. Gründe hierfür sind: der Versuch, die heimische Wirtschaft vor ausländischen Produkten zu schützen, möglichst nicht in globale Krisen hineingezogen zu werden, kein oder mangelndes Interesse an der Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen.

Globalisierung / De-Globalisierung: Welche Maßnahmen Länder und Unternehmen ergreifen

Industriepolitik

Industriepolitik bedeutet die aktive staatliche Förderung bestimmter Branchen und Unternehmen innerhalb eines Landes oder einer Region. Ziel ist es, „nationale Champions“ zu kreieren, die im globalen Wettbewerb bestehen können. Durch eigene Unternehmen in Schlüsselindustrien begibt man sich nicht in Abhängigkeit vom Ausland. Aktuelles Beispiel: Energie. Die stark einseitige Konzentration auf Russland als Gaslieferant hat deutlich gezeigt, wie gefährlich das sein kann.

Instrumente einer Industriepolitik sind unter anderem Staatsbeteiligungen an Firmen, Schutz deutscher Unternehmen vor Übernahmen durch ausländische Unternehmen und Subventionen. Industriepolitik sollte so gestaltet sein, dass Unternehmen weiterhin selbst Innovationen anstoßen und sich nicht zu sehr auf staatliche Unterstützung verlassen. Aus europäischer Sicht wünschenswert: Industriepolitik wird ganzheitlich innerhalb der EU gesehen und praktiziert.

Erhöhung der Widerstandsfähigkeit der deutschen Wirtschaft

Globale Krisen zeigen: Deutsche Unternehmen sind durch weltweite Lieferketten und Outsourcing, das heißt die Verlagerung der Produktion oder anderer Teilaufgaben ins Ausland, anfällig geworden. In vollem Umfang oder teilweise konnten beziehungsweise können keine Produkte hergestellt werden.

Hier müssen Unternehmen Wege finden, wie eine höhere Resilienz erreicht werden kann. Das weltweit praktizierte, kosteneffiziente Just-in-time-Prinzip dürfte dabei zurückgefahren werden. Aufgrund der bestehenden politischen Risiken sind solche eng getakteten Lieferketten zu brüchig. Vielmehr sollten sich deutsche Unternehmen so logistisch einrichten, dass Lieferketten diversifiziert und Pufferzeiten eingebaut sind.

„Die De-Globalisierung ist ein Holzweg“, sagte Kanzler Scholz auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos im Mai 2022. Er forderte mehr „wirtschaftliche Resilienz“, die sich allerdings nicht in Form von Protektionismus und Zollschranken zeigen sollte. Vielmehr wäre eine Modifizierung der Geschäftsaktivitäten beziehungsweise Risikostreuung zu empfehlen.

De-Globalisierung: Die Lösung für deutsche Unternehmen?
Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich kürzlich kritisch über die De-Globalisierung.

Foto: Pixabay / fsHH

Re-Globalisierung: Handel mit gleichgesinnten Ländern beziehungsweise Konzentration auf befreundete Staaten

Die Globalisierung könnte sich zukünftig stärker auf bestimmte Regionen beschränken. „Also, dass man wohl weiter Handel treibt und die Wertschöpfungsnetzwerke verzahnt international, aber nicht eben mit allen Ländern, sondern mit Ländern, wo es ein hohes Ausmaß an politischem Vertrauen gibt“, erwartet der renommierte Ökonom Professor Gabriel Felbermayr.

Die EU könnte sich aufgrund der geopolitischen Lage darauf konzentrieren, bevorzugt wirtschaftliche Beziehungen mit befreundeten demokratischen Staaten zu unterhalten. Die eben auch in Krisenzeiten verlässliche Partner sind – USA, Japan, Südkorea, Australien und andere sind darunter. Dadurch könnte sich die wirtschaftliche Abhängigkeit von autokratischen Ländern wie Russland und China verringern lassen.

Blick auf das Inland richten

Aufgrund des demografischen Wandels sinkt das Arbeitskräfteangebot in Deutschland. Als Folge könnte es zu einem Anstieg der Reallöhne kommen. Wovon die Kaufkraft der deutschen Bundesbürgerinnen und Bürger profitieren sollte. Dies wiederum könnte zu erhöhtem privatem Konsum im Inland führen. Die heimischen Unternehmen dürften sich nach diesem Szenario über höheren Umsatz im Inland freuen. Wachstumstreiber sind hier insbesondere Produkte und Dienstleistungen in den Bereichen Alterung der Gesellschaft, Gesundheit, Digitalisierung, Klima- und Umweltschutz.

Die Auswirkungen der Globalisierung sind zwar umstritten und werden heftig diskutiert. Gleichwohl sind etliche Wirtschaftsexpertinnen und -experten der Überzeugung, dass die Globalisierung grundsätzlich von Vorteil für Deutschland ist. Deutsche Unternehmen müssen sich jedoch auf veränderte Rahmenbedingungen einstellen und diesen Herausforderungen begegnen.

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