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Tatort Spurensicherung: Wie eindeutig sind kriminaltechnische Beweise?

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Tatort Spurensicherung: Wie eindeutig sind kriminaltechnische Beweise?

DNA-Tests, Fingerabdrücke oder chemische Analysen gelten als effektive Beweise. Deshalb haben die Befunde der Forensik vor Gericht eine hohe Bedeutung. Doch auch professionelle Kriminaltechniker können sich irren: Dann werden Verbrechen entweder gar nicht erst aufgedeckt – oder Unschuldige landen im Knast.
Was weiß ein Schädelknochen über einen Mord?
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Was weiß ein Schädelknochen über einen Mord?

Weniger als die forensischen Archäologen glauben. Ein Test zeigte, wie unsicher die Methoden der so genannten Gesichtsrekonstruktion anhand des Schädels des Opfers sind: Bilder von vier rekonstruierten Gesichtern (zwei Zeichnungen, zwei modellierte Gesichter) sollten anhand von zehn Fotos von Menschen den richtigen zugeordnet werden. 500 Mal wurden Medizinstudenten befragt, nur in 38 Fällen lagen sie richtig. Schlimmer noch: 300 Mal wurde ein modelliertes Gesicht falsch, also einer anderen Person zugeordnet. Nicht nur die Identität des Opfers wird nach der Untersuchung des Schädels falsch bestimmt. Oft sind die Analysen so uneindeutig, dass auch Todesursache und Todeszeitpunkt falsch bestimmt werden.

Kann meine DNA lügen?
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Kann meine DNA lügen?

Eden Atwood könnte das perfekte Verbrechen begehen: Sie könnte jemanden ermorden, Spuren hinterlassen und trotzdem nie gefasst werden. Eine Analyse ihrer Haare, Hautpartikel oder ihres Blutes würde den Beweis erbringen: Ihre DNA enthält ein X- und ein Y-Chromosom – Atwood ist genetisch ein Mann. Aber Atwood sieht aus wie eine Frau. Und bis auf zwei kleine Abweichungen im inneren Körperbau (sie kann keine Kinder bekommen) ist sie es auch. Wie ist das möglich? Atwood ist eine von mehr als 30.000 Frauen weltweit, die als Fötus an einer kompletten Androgenresistenz litten. Das führt dazu, dass sich der eigentlich männliche Fötus zu einer Frau entwickelt. Ihre DNA aber würde Kriminalisten auf die Spur eines männlichen Täters führen. Ähnliche forensische Probleme mit DNA-Tests gibt es, wenn der Täter einen eineiigen Zwilling hat. Bei ihnen stimmt das Erbgut exakt überein. Und immerhin gibt es auf der Erde rund 70 Millionen eineiige Zwillinge.

Wie wird aus einer Unbeteiligten eine Serienkillerin?
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Wie wird aus einer Unbeteiligten eine Serienkillerin?

Acht Jahre lang standen die Kriminalisten vor einem großen Rätsel: Sieben Morde in Deutschland, Frankreich und Österreich und mehr als 30 Überfälle und Einbrüche weisen Spuren nur eines Täters auf. Die gefundene DNA stimmt zwar überein, doch sonst scheinen die Fälle nichts miteinander zu tun zu haben. Darunter auch der Mord an der Heilbronner Polizistin Michèle Kiesewetter und die schwere Verletzung ihres Kollegen im Jahr 2007. Wer steckt hinter den grausamen Verbrechen? Erst nach unzähligen Überprüfungen stellt sich heraus: Die Gesuchte – bekannt als „Frau ohne Gesicht“ oder „Phantom von Heilbronn“ – ist eine Mitarbeiterin der Firma, die die Wattestäbchen für die Spurensicherung herstellt. Die Frau hatte die Wattestäbchen beim Verpacken mit ihrer eigenen DNA verunreinigt. Diese gelangte so an die verschiedensten Tatorte und führte die Kriminalisten auf eine falsche Fährte. Erst durch die Aufklärung dieses kniffligen Falles wurde öffentlich, dass es in Deutschland keine einheitlichen Qualitäts- und Sterilitätsstandards für die gerichtliche DNA-Beweisführung gibt. Zumindest das Land Baden-Württemberg hat daraus Konsequenzen gezogen. Für die DNA-Erfassung an Tatorten dürfen nur noch mit Ethylenoxid gereinigte Wattestäbchen verwendet werden, da so eine Kontamination der Proben am ehesten ausgeschlossen werden kann. Für die Aufklärung des Falls der ermordeten Polizistin kam diese Erkenntnis aufgrund der verworrenen Beweislage viel zu spät. Erst 2011 konnte der Mord der rechtsterroristischen Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) zugeordnet werden. An anderer Stelle könnte sich dieser Fehler jederzeit wiederholen.

Wie werden verwischte Fingerabdrücke sichtbar?
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Wie werden verwischte Fingerabdrücke sichtbar?

Fingerabdrücke sind eines der wichtigsten kriminaltechnischen Beweismittel. Das größte Problem besteht jedoch darin, dass nur zehn Prozent der am Tatort oder auf der Tatwaffe gesicherten Fingerabdrücke tatsächlich verwertbar sind. Oft werden die Spuren absichtlich vom Täter oder unabsichtlich von Unbeteiligten verwischt. Wissenschaftler der britischen University of Leicester haben eine Methode entwickelt, mit der sich auch Fingerabdrücke rekonstruieren lassen, die zu 90 Prozent unleserlich gemacht wurden. Dabei wird ein Gegenstand, zum Beispiel eine Waffe, in eine Lösung mit farbigen Chemikalien gelegt und unter Strom gesetzt. Dadurch bildet sich eine farbige, elektroaktive Schicht. Da Fingerabdrücke eine fettige Mischung aus Schweiß und Hautpartikeln sind, kann der Strom sie nicht leiten. Sie wirken daher isolierend und lagern sich optisch auf der Waffe gegen die Beschichtung ab. Da diese Technik sehr empfindlich ist, müssen die Fingerabdrücke nur wenige Nanometer dick sein, um ein klares Bild zu erhalten. Außerdem können mit dieser Methode sogar Fingerabdrücke rekonstruiert werden, die Monate zuvor genommen wurden.

Kann ein Toter einen Mord aufklären?
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Kann ein Toter einen Mord aufklären?

Frühjahr 2006, ein Friedhof in den USA: Die Leiche von Barry Bench wird ausgegraben. Lowell Levine, Experte für forensische Zahnmedizin, beginnt mit der Untersuchung des Gebisses und kommt zu dem Schluss: Dieser Mann muss vor 15 Jahren seine ehemalige Schwägerin Sabina Kulakowski ermordet haben. Seine Zahnabdrücke passen zu den Bissspuren an der Leiche. Doch für den Mord sitzt seit Jahren ein anderer im Gefängnis: Roy Brown. Ein Zahnarzt hatte damals seine Zahnabdrücke untersucht und als eindeutige Beweise eingestuft. Bis auf zwei fehlende Zähne im Oberkiefer stimmten die Abdrücke exakt überein. In seinem – falschen – Gutachten hatte der Experte erklärt: Brown müsse die Haut des Opfers „abgebissen“ haben, deshalb seien seine Zahnlücken nicht erkennbar. 2006 kommt Roy Brown endlich frei. Er verklagt den Staat auf 2,6 Millionen Dollar Schmerzensgeld.

Kann die DNA die Augenfarbe verraten?
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Kann die DNA die Augenfarbe verraten?

Hirisplex heißt eine Technik, mit der Ermittler Haar- und Augenfarbe eines unbekannten Verdächtigen bestimmen können. Doch wie funktioniert diese Methode? Das Hirisplex besteht aus einer Mulitplex-Probe, die die 24 Einzelbausteine der DNA entschlüsselt. Da die Haar- und die Augenfarbe von relativ wenigen Genen beeinflusst werden, können Forscher durch Abweichungen in den Basenpaaren, die für die braune Augenfarbe charakteristisch sind, Rückschlüsse auf sie ziehen. Mit einer Genauigkeit von bis zu 94 Prozent kann nun bestimmt werden, ob jemand blaue oder braune Augen hat.
Kann ein Lippenstift eine Verbrecherin überführen?
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Kann ein Lippenstift eine Verbrecherin überführen?

Wissenschaftler der Universität Kent haben neue Methode entwickelt, um Lippenstiftspuren am Tatort zu identifizieren. Durch die sogenannte Raman-Spektroskopie wird mithilfe von Lasern Lippenstift an Gläsern oder Zigarettenstummeln deutlich. Jede Lippenstiftsorte streut dabei Licht auf eine charakteristische Weise – und das kann mittels Mikroskop gemessen werden. Die Daten brauchen die Forensiker dann nur noch mit denen aus der Datenbank zu vergleichen. Die Informationen dienen vor allem der Identifizierung von Täterinnen. Die Raman-Spektroskopie ist ideal, weil man mit ihr auch Spuren auf transparenten Schichten analysieren kann. Ein weiterer Vorteil ist, dass man Spuren sehr schnell entziffern kann, ohne sie zu verändern.
Kann ein Hund jemandem einen Mord anhängen?
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Kann ein Hund jemandem einen Mord anhängen?

David Hempfield (Name von der Redaktion geändert) wird gleich einen Unschuldigen zu einem Räuber, Dieb und Entführer machen: Hempfield ist Laborant beim Las Vegas Police Department. Er untersucht DNA-Proben von zwei Tatverdächtigen – doch er vertauscht versehentlich die Namen. Dieser Fehler bringt Dwayne Jackson für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis, obwohl die Opfer ihn nicht als Täter identifizierten. Einziger Beweis vor Gericht ist die DNA-Probe. Erst 2006, nach einem zweiten genetischen Test, kommt Jackson frei. Dies ist nur ein Beispiel für die zahllosen Fehler in forensischen Untersuchungen. 2012 wird aufgedeckt, dass das FBI 6000 Justizfälle zwischen 1996 und 2004 neu aufrollen und überprüfen ließ, weil Fehler bei Haut- und Haaranalysen gemacht wurden. Neben jahrelanger Haft hatte das einigen Unschuldigen auch die Todesstrafe gebracht. Die Ergebnisse wurden jedoch keinem Betroffenen mitgeteilt – nur durch Informanten gelangten sie an die Öffentlichkeit. Ein Fall zeigt, wie gravierend die Ermittlungsfehler waren: Der 17-jährige Santae Tribble wird aufgrund von 13 Haarproben vom Tatort wegen Mordes verurteilt. Mithilfe der sogenannten Haarmikroskopie wurden die Proben mit den Haaren von Tribble verglichen. Größe, Struktur, Farbe und Zustand stimmten angeblich überein. Nach der erneuten Überprüfung stellt sich aber heraus, dass es die Haare von einem Hund waren – 28 Jahre saß Tribble da schon im Gefängnis. Die Haarmikroskopie wird dennoch weiter angewendet.
Kann ein Tennisschuh Forensiker auf die falsche Fährte führen?
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Kann ein Tennisschuh Forensiker auf die falsche Fährte führen?

Bruce Lisker, 17, muss schuldig sein: Seine Adoptivmutter Dorka wurde brutal mit seinem Baseball-Pokal niedergeschlagen und mit Steakmessern erstochen. Das Indiz: der blutige Schuhabdruck hinter ihrem rechten Ohr und im Bad. Der gleiche Schuhabdruck, den Liskers Tennisschuhe haben. Das Motiv: die andauernden Streitereien mit seiner Mutter. Außerdem hatte er am Tag des Mordes Crystal Meth genommen. Er wird festgenommen. Zweimal gesteht er die Tat – aus Verzweiflung und um die Strafe zu reduzieren. Er wird zu lebenslanger Haft verurteilt, obwohl der Täter ein anderer ist. Es dauert Jahre, bis Lisker mithilfe eines Privatdetektivs seine Unschuld beweisen kann: Der Schuhabdruck ist nämlich gar nicht seiner. Zwar hat der Schuh die gleiche Größe wie seine eigenen Tennisschuhe, doch das Profil weist kleine Abweichungen auf, die den Ermittlern entgangen sind. Bruce Lisker wird freigelassen. Der wahre Mörder seiner Mutter wird nie überführt.
Wie kann eine Kamera Justizirrtümer verhindern?
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Wie kann eine Kamera Justizirrtümer verhindern?

Mit einer Kamera ist es nun möglich, ganz neue Aufnahmen vom Tatort zu konstruieren. Auf dunklen Oberflächen kann Blut schwierig zu erkennen sein, andere Spuren werden vom menschlichen Auge gar nicht wahrgenommen. Die Hyperspectral-Imaging-Methode soll Abhilfe schaffen. Fälschlicherweise werden dunkle Flecken oft mit Blut verwechselt und das kostet Zeit. Mit dieser Methode ist dies ausgeschlossen. Doch wie funktioniert Hyperspectral Imaging? Die Kamera, ausgestattet mit einem flüssigen Kristallfilter, macht mehrere Fotos von verschiedenen Wellenlängenbereichen des Tatorts, die isoliert werden können. Das menschliche Auge sieht multispektral in den Wellenlängen der Grundfarben, also Rot, Gelb und Blau. Mit Hyperspectral Imaging können jedoch Wellenlängen von Infrarot bis Ultraviolett erkannt werden – also auch für das menschliche Auge unsichtbare Blutflecken. Ein weiterer Pluspunkt: Durch die Kamera wird die Polizeiarbeit beschleunigt. Auch monatealte Spuren können innerhalb eines Tages untersucht und der Todeszeitpunkt des Opfers kann bestimmt werden, bei frischen Spuren sogar innerhalb einer Stunde.
Wie kann ein Hightech-Labor einen Mörder schnappen?
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Wie kann ein Hightech-Labor einen Mörder schnappen?

Früher suchte man mit Hunden nach Leichen, nun übernimmt das ein Gerät. Der LABRADOR (Light-weight Analyzer for Buried Remains and Decomposition Odor Recognition) ist ein Gasphasendetektor, der 30 verschiedene Chemikalienklassen an einem toten Körper unterscheidet. Das Gerät ähnelt einem Metalldetektor (Bild), kann aber viel mehr. Zwölf eingebaute Sensoren reagieren auf Chemikalien, die verfallende Körper absondern. Leichen, die bis zu einem Meter tief vergraben sind, werden so in 60 Sekunden gefunden. Vorteil gegenüber einem echten Hund: Der Hightech-Labrador erkennt auch, wie lange eine Person schon tot ist. Außerdem kostet er nur einen Bruchteil eines ausgebildeten Hundes. 2010 half der LABRADOR, die Leiche von Lynsie Ekelund zu finden, die neun Jahre vermisst wurde.
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