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Kampfhunde: Täter oder Opfer?

American Staffordshire Terrier, Bullterrier und Co. zählen in den meisten Bundesländern zu den sogenannten „gefährlichen Hunden“. Sind diese Hunde aber tatsächlich aufgrund ihrer Rasse gefährlicher? Oder sind ihre Verhaltensweisen nicht vererbt, sondern vielmehr anerzogen? Darüber streiten sich Verhaltensforscher, Politiker, Hundeliebhaber und -gegner bis heute. Denn: Eine eindeutige wissenschaftliche Antwort gibt es bislang nicht.

Vor mehr als 100.000 Jahren entwickelte sich aus dem einst scheuen Wolf der beste Freund des Menschen, der Hund. Heute haben die meisten der über 400 verschiedenen Hunderassen nur noch wenig mit ihrem Vorfahren gemeinsam. Ein Wesenszug ist ihnen aber geblieben: Genau wie Wölfe sind Hunde normalerweise sehr soziale Tiere.

Im Wolfsrudel bestimmen feste Regeln das Zusammenleben. Aggressionen werden nur dann ausgetragen, wenn ein Wolf sich oder seine Position in der Gemeinschaft verteidigen muss. Kann ein Tier seinen Rang vor einem Artgenossen behaupten, beenden Demutsgesten den Kampf. Der Unterlegene wirft sich auf den Rücken und streckt die Beine von sich. Die meisten Vierbeiner haben diese Verhaltensweisen geerbt. Kampfhunde dagegen verstehen die angeborenen Gebärden nicht mehr und greifen ihren Sozialpartner, in dem Fall den Mensch, an.

Durch falsche Erziehung zur Beißmaschine

Bis heute gibt es keine wissenschaftlichen Beweise, dass Aggressivität vererbbar ist. Trotzdem beginnt das Auswahlverfahren für Kampfhunde schon bei deren Zeugung. Viele Züchter achten darauf, dass nur die angriffslustigsten und stärksten Elterntiere Nachwuchs bekommen. Auch ein starker Körperbau – schwere Hunde wie der Mastiff wiegen fast neunzig Kilo – und die Kraft der Zähne sind manchen Züchter wichtig.

Bei entsprechend falscher Erziehung können diese Hunde dann sehr gefährlich werden. Immer wieder wird von skrupellosen Besitzern berichtet, die ihre Hunde absichtlich zu tödlichen Waffen abrichten. Die Methoden sind grausam: Mit Schlagstöcken prügeln sie auf die Tiere ein, hängen ihnen zentnerschwere Bänder um den Hals oder lassen sie in dunklen Kammern vegetieren. Zurück bleiben unkontrollierbare Beißmaschinen.

Vom Arena-Star zum Hinterhof-Kämpfer

Solche Kampfhunde sind keine Erfindung unserer Zeit. Schon im alten Rom wurden sie als Arena-Kämpfer und tapfere Krieger verehrt. Für die Römer der Antike waren Tierkämpfe Freizeitvergnügen und Demonstration ihrer Macht. Stiere, Löwen, Büffel und Kampfhunde wurden aufeinandergehetzt und zerfleischten sich zu Tode. Dafür sammelten die Römer überall in Europa die aggressivsten Hunde zusammen. Mutig, angriffslustig und stark mussten sie sein – und sich ihren Herren bis zum Schluss ergeben.

Eine Hunderasse zeichnete sich durch genau diese Merkmale aus: der muskulöse Molosser (Bild). Seinen Namen erhielt er von einem alten Königsgeschlecht, das in Epirus lebte, einer gebirgigen Landschaft an der griechisch-albanischen Grenze. Eigentlich waren Molosser Hirtenhunde. Aber schon bald nutzten Griechen und Römer die furchtlosen Hunde für den Krieg. Lange Zeit galten sie als die stärksten Kämpfer des Imperiums.

1.500 Jahre später – die meisten römischen Arenen waren längst verfallen – wurden Tiere noch immer zur Belustigung der Menschen aufeinander losgelassen. Der englische Adel amüsierte sich an Bärenhetze, Bullenbeißen und den damit verbundenen Wetten. Jede Kampfsportart bekam ihre eigene Hunderasse. Während der große, schwere und dafür langsamere Mastiff auf Bären angesetzt wurde, konnte die kleinere Bulldogge besonders schnell vor den Hörnern der Bullen ausweichen. Mit der Zeit verdrängten Hundekämpfe die Bullenjagd. Die Nachfrage nach einem noch wendigeren Hund stieg. Deshalb kreuzte man den flinken Terrier mit der Bulldogge: Die Rasse der Bullterrier war geboren. Dieser kommt auch heute noch zum Einsatz. Zwar sind in den meisten Ländern Hundekämpfe inzwischen verboten. Zeitungsberichten zufolge finden sie aber trotzdem statt: in Italien, England und auch in Deutschlands Hinterhöfen.

Wirrwarr in der Hundepolitik

In einem sind sich fast alle Bundesländer einig: Kampfhunde sind gefährlich. Welche Hunde oder Rassen aber dazu zählen, warum sie gefährlich sind und wie man die Bevölkerung bestmöglich vor ihnen schützt, darüber gehen die Meinungen auseinander. So werden je nach Bundesland bis hin zu 20 Rassen auf der Liste der „Gefährlichen Hunde“ geführt. Ihre Haltung unterliegt dann bestimmten Regeln, zum Beispiel Leinen- oder Maulkorbpflicht. Doch auch diese sind nicht einheitlich.

Bund und Länder arbeiten zurzeit an einer einheitlichen Lösung. Erster Schritt: Ein Hundeführerschein soll verhindern, dass gefährliche Hunde von unfähigen Besitzern geführt und versorgt werden. In Niedersachsen ist dieser Führerschein bereits Pflicht. Doch ob er sich dort bewähren wird und wie viele Bundesländer dem Beispiel folgen, muss sich noch zeigen.
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