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Das Pharma-Experiment: Wie schnell werden wir zu Versuchskaninchen?

Foto: Thinkstock / Matej Kastelic

Das Pharma-Experiment: Wie schnell werden wir zu Versuchskaninchen?

Experimente gehören ins Labor? Das war einmal. Mittlerweile ist unser Alltag ein Testfeld und Millionen Menschen sind Versuchsobjekte geworden – ohne davon das Geringste zu ahnen. WdW deckt die drastischsten Fälle auf. Diese Woche: Das Pharma-Experiment.

Willie Trottie sitzt in Texas im Todestrakt, heute Nacht steht seine Hinrichtung an. „Ich bin eigentlich ziemlich ruhig. Nur die Medikamente machen mir Angst“, sagt er. „Sie experimentieren mit uns.“ Doch er meint damit nicht nur die Art und Dosis des Giftcocktails, der immer wieder verändert wird und in einigen Fällen stundenlange Todeskrämpfe hervorruft. Die über zwei Millionen Gefängnisinsassen in den USA dienen auch als Versuchsobjekte der Pharmaindustrie: „Viele Gefangene erhalten Medikamente in neutralen Verpackungen. Sie wissen nicht, was sie nehmen“, sagt Susan Hillman, US-Strafvollzugsexpertin. Bis 1972 führte die Gesundheitsbranche sogar 90 Prozent ihrer Studien an Gefängnisinsassen durch.

„Vor allem kannst du die Patientenrechte mit Füßen treten“

Vor einigen Jahren machte ein Pharmakonzern heimlich Versuche mit HIV-positiven Kindern aus Pflegefamilien unter Aufsicht der Stadt New York. Doch mittlerweile weichen die Unternehmen bei Medikamententests immer mehr auf  Schwellenländer aus. Bereits jede zweite Studie weltweit findet dort statt. „Es ist einfacher, es ist billiger. Aber vor allem kannst du die Patientenrechte mit Füßen treten“, sagt Artjom Golowin, der Vorsitzende der All-Russian Multiple Sclerosis Society, einer Patientenorganisation in Russland. Zusammen mit Indien bildet das Land den Kern einer neuen Industrie, die diese Experimente durchführt. „Die Ärzte sagen dem Patienten: ‚Wenn Sie nicht an der Studie teilnehmen, werden Sie leider keine Behandlung bekommen können, weil wir in der Klinik kein Geld dafür haben‘ “, erklärt Alexander Globenko, der einen der Tests mit neuen Medikamenten koordiniert.

Grauzone „Therapiefreiheit“

Aber auch in  Deutschland kann es zu solchen Menschenversuchen kommen, wie unlängst an der Uniklinik Gießen, wo über Jahre hinweg Medikamente an Patienten ohne deren Einwilligung getestet wurden. Eines der Opfer starb dabei. „Es gibt da eine Grauzone zwischen einer systematischen Pharmastudie und der experimentellen Anwendung von Medikamenten im sogenannten Heilversuch. In diesem Fall können im Rahmen der Therapiefreiheit Medikamente, die für eine bestimmte Anwendung nicht zugelassen sind, zum Nutzen des Patienten auch ohne dessen Zustimmung verabreicht werden“, so Hannsjörg Seyberth, ehemals Pharmakologe an der Universität Marburg.

 
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