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Antikörper: Spürhunde im Auftrag der Medizin

Antikörper gelten als Wunderwaffe der modernen Medizin. Sie finden sich in jedem dritten neuen Medikament und kommen bei verschiedensten Erkrankungen und chronischen Leiden zum Einsatz. Die erste Antikörper-Therapie gelang einem Deutschen vor über 100 Jahren.

Antikörper sind Proteine. „Sie werden von so genannten B-Zellen produziert“, erklärt Pharmakologe Dr. Siegfried Throm, Geschäftsführer Forschung beim Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) in Berlin. „Jeder Mensch und jedes Säugetier kann bis zu 300 Millionen verschiedene Antikörper-Sorten bilden.“

Antikörper sind wie Spürhunde: Sie nehmen die Witterung auf, gehen im Körper auf die Suche nach Krebszellen, Viren und anderen Krankmachern und machen diese unschädlich. „Mittlerweile sind Antikörper in jedem dritten neuen Medikament enthalten“, so Throm. „Sie kommen bei Krebs und Entzündungserkrankungen, bei Migräne, Asthma, chronisch-obstruktiver Lungenkrankheit und Stoffwechselstörungen zum Einsatz.“

Die Wirkung von Antikörpern am Beispiel Morbus Bechterew

Morbus Bechterew ist eine entzündlich-rheumatische Autoimmunerkrankung, die zur Versteifung der Kreuzdarmbeingelenke führt. In Deutschland sind etwa 350.000 Menschen betroffen. Die Krankheit verursacht starke, tief sitzende chronische Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule. Wird Morbus Bechterew unzureichend oder gar nicht behandelt, kann die Wirbelsäule versteifen, was die Bewegungsfreiheit des Patienten massiv einschränkt.

In der Morbus-Bechterew-Therapie kommt eine Kombination aus Krankengymnastik und Medikamenten zum Einsatz. Die Behandlung setzt zunächst auf nicht steroidale Antirheumatika und Kortisonpräparate. Wirken diese nicht ausreichend gegen Schmerzen und Entzündungen, kann der Arzt Biologika mit Wirkstoffen wie Secukinumab verschreiben. Bei Biologika handelt es sich um biotechnologisch hergestellte Antikörper. Sie schalten gezielt bestimmte entzündungsfördernde Botenstoffe des Körpers aus, bei Secukinumab ist es der Stoff Interleukin-17A.

Die Entwicklung der Antikörper-Therapie

Es war ein langer Weg von der Entdeckung der Antikörper Ende des 19. Jahrhunderts bis zum breiten medizinischen Einsatz heute. Der Deutsche Emil von Behring entdeckte sogenannte Antitoxine im Blut von infizierten Tieren. Dadurch gelang es dem Mediziner, an Diphtherie erkrankte Kinder zu heilen – zur damaligen Zeit starb jedes zweite Kind an der ansteckenden, durch Bakterien verursachten Infektionskrankheit. Von Behring legte mit seiner Entdeckung, für die er 1901 den Medizin-Nobelpreis erhielt, den Grundstein für die Antikörper-Therapie. 

Doch zunächst standen die Mediziner vor einem Problem. „Lange Zeit konnte man Antikörper nur aus Blut gewinnen und immer nur als Gemisch unterschiedlicher Sorten“, weiß Dr. Throm. In den 1970er-Jahren gelang dann der Durchbruch: Der deutsche Biologe Georges Köhler und der argentinische Chemiker César Milstein entwickelten die sogenannte Hybridom-Technik. Nun war es möglich, bestimmte Antiköper gezielt in großer Menge herzustellen. Mittlerweile ist diese Technik aber veraltet. Dr. Throm: „Heute werden Antikörper mit anderen Zellen produziert, die dazu gentechnisch mit den nötigen Genen ausgestattet wurden.“

Mit verkleinerten Antikörper weitere Krankheiten bekämpfen 

Eine große Herausforderung bleibt: „Antikörper bestehen aus mehr als 20.000 Atomen, sind also sehr groß und können noch nicht jede Stelle des Körpers erreichen“, berichtet Pharmakologe Dr. Throm. Forscher würden aktuell an Medikamenten mit verkleinerten Antikörpern arbeiten. Diese Nanobodies würden sich gegen zahlreiche weitere Krankheiten einsetzen lassen – und mit geringeren Nebenwirkungen einhergehen. 
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