Welt der Wunder

Nicht glauben, sondern wissen

#24 Der Wangi-Wangi-Brillenvogel präsentiert von Bodo Wartke

Geschichten von seltenen und sehr seltenen Tieren. Ein Brillenvogel, der wegen seiner Sangeskünste bedroht ist – klar, dass der das Herz des Sängers und passionierten Brillenträgers Bodo Wartke gleich erobert hat. Der Vogel kann Unterstützung gut gebrauchen: Er ist noch nicht einmal ordentlich als neu entdeckte Art von der Wissenschaft ordentlich beschrieben worden, da droht er schon auszusterben. Wegen eines Flughafens. Und eben wegen seiner Sangeskünste. Präsentiert von Citizen Conservation – Haltung rettet Arten.

Der Wangi-Wangi-Brillenvogel
„Du Brillenvogel!“ – ein Name, der vielleicht einem schlaksigen Teenager mit Nickelbrille hinterhergerufen wird, der leicht geduckt über die Schulgänge schlurft und sich lieber im Hintergrund hält, um seinen natürlichen Feinden, den coolen Jungs also, möglichst geschickt auszuweichen. Eine bewährte Strategie, die auch ein kleiner, grüner Vogel ausgesprochen erfolgreich und sehr ausdauernd praktiziert hat, weshalb er überhaupt erst im Jahr 2003 entdeckt und bis heute noch gar nicht offiziell wissenschaftlich beschrieben wurde: der Wangi-Wangi-Brillenvogel. 
Über die Jahrtausende flatterte er seelenruhig ausschließlich auf der winzigen indonesischen Insel Wangi-Wangi vor der Küste Sulawesis vor sich hin und hat den lieben Gott einen guten Vogel sein lassen: 30 Grad Lufttemperatur, 12 Stunden Sonne – und das so gut wie jeden Tag. Was für ein Leben! Da könnte unser Teenager nur neidisch über seine Nickelbrille blinzeln.
 Apropos Brille: die trägt der etwa 15 Zentimeter lange Vogel natürlich auch. Seinen Namen verdankt er zwei auffälligen weißen Augenringen. In Kombination mit dem hakenförmigen Schnabel verleiht ihm das ein regelrecht aristokratisches Aussehen.
 Vielleicht allerdings wäre statt der weißen eine rosarote Brille hilfreicher gewesen. Denn die ungeschönte Wirklichkeit ist aus der Vogelperspektive ausgesprochen hässlich. Auch Menschen haben die Vorzüge von Wangi-Wangi für sich entdeckt, die Insel zunehmend in Beschlag genommen und dabei den ursprünglich hier stehenden Wald weitgehend abgeholzt. Der Wangi-Wangi-Brillenvogel sieht aber nicht nur vornehm aus, er pflegt auch seine Extravaganzen. Anders als viele andere Vögel weigert er sich beharrlich, sich mit Modernismen wie Stromkabeln als Sitzwarte oder anderen menschlichen Wohnumfeldverbesserungen anzufreunden, er besteht auf seinen Originalwald als einzig angemessenen Aufenthaltsort. Doch davon ist nicht mehr viel übrig. Um genau zu sein: Davon ist nur noch ein jämmerlicher Rest von einem Quadratkilometer Fläche rund um die Landepiste des örtlichen Flughafens übrig – vermutlich, weil kein Mensch dort wegen des Fluglärms hinziehen mochte. Hoch oben in den Bäumen krallen sich die Vögel nun ins letzte verbliebene Geäst. Mit jeder startenden oder landenden Maschine müssen sie ihre Federn neu richten, so dicht über ihrem Kopf dröhnen die Flugzeuge vorbei. Aber wenigstens waren die Brillenvögel dort sicher inmitten des Getöses. Doch nun soll der Flughafen zur Förderung des internationalen Tourismus ausgebaut werden, denn Wangi-Wangi ist Teil eines 2005 gegründeten Unterwasser-Nationalparks, der Taucher aus aller Welt anlockt. Die Verlängerung der Landebahn aber würde das letzte Waldstück vernichten. Taucherbrille versus Brillenvogel – ein ungleicher Kampf. Hört mehr davon im Podcast. 
 

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