Welt der Wunder

Nicht glauben, sondern wissen

Schauerliche Geschichten zum Erwandern: Das Wilderer-Drama im Osttiroler Villgratental

Wandern abseits des Massentourismus in einer intakten Natur – das ist für Naturliebhaber der Inbegriff eines gelungenen Outdoor-Tages.
In Osttirol gibt es eine große Anzahl an erlebnisreichen und naturintensiven Touren für jeden Geschmack. Und wer ein Faible für ungeklärte Kriminalfälle hat, sollte seine Tour unbedingt mit einem Besuch eines sagenumwobenen Grabes kombinieren.

Jedes Gebirgstal hat sein Geheimnis – so auch das Villgratental in Osttirol. Fernab von Touristenströmen bewohnen hier heimatverbundene und beizeiten auch etwas widerspenstige Bergmenschen ein Naturidyll. Bis heute haben sie sich im Villgratental gegen die Erscheinungen des modernen Massentourismus gewehrt. „Kommen Sie zu uns, wir haben nichts!“, so ironisch wirbt man mit dem, was man nicht hat. Keine Hotelburgen, keine Gondelbahnen, kein Massentourismus. Dafür gelebte Traditionen, eine intakte Bergwelt mit Wanderwegen und Dolomitenaussicht, gepflegte Almlandschaften und leichte Mountainbikestrecken. Und für alle die es suchen – ein düsteres Geheimnis!
Es war der 8. September 1982, als oberhalb des kleinen Weilers Kalkstein, ganz am Ende des Villgratentals, Schüsse fallen. Die achte Kugel aus dem Lauf zweier einheimischer Jäger trifft den Wilderer Pius Walder tödlich in den Hinterkopf. Bis heute sind die genauen Umstände dieser Tat umstritten. Der Schütze Johann Schett wurde nicht wegen Mordes, sondern schwerer Körperverletzung zu nur dreieinhalb Jahren Haft verurteilt und nach eineinhalb Jahren vorzeitig entlassen – in den Augen der Familie Walder ein unerträgliches Urteil! Noch am offenen Grab von Pius schworen die Walder-Brüder Rache. Bis heute kämpft Hermann Walder, der letzte verbliebene Bruder, darum, dass Pius’ Tod nicht in Vergessenheit gerät, und lehnt sich gegen Bevölkerung und Behörden auf.
Walder spricht bis heute von „kaltblütigem Meuchelmord“. Natürlich wusste man damals, vor knapp 40 Jahren, dass die Walder-Brüder ab und an zum „Jagdgang ohne Jagdschein“ in die heimischen Wälder aufbrachen, jedoch galt auch der damalige Jagdaufseher des Tales Johann Bergmann, der am 8. September 1982 angeblich Schüsse oberhalb von Kalkstein vernommen hatte und anschließend die beiden Jäger Schett und Schaller auf Nachschau schickte, als fanatisch. Angeblich ließen Schett und Schaller den getroffenen Walder stundenlang im eigenen Blut liegen, bis sie die Behörden alarmierten. 
Was damals wirklich passiert ist, nahmen die mittlerweile verstorbenen Jäger mit ins Grab. 2002 wurden die Geschehnisse von 1982 im Wiener Tatort „Elvis lebt!“ verfilmt. Wegen seiner langen Kotletten ähnelte Pius Walder dem King of Rock’n’Roll Elvis Presley.
Fragt man heute im Villgratental nach dem Wilderer-Drama von damals, bekommt man selten Antworten. Als stiller Zeuge bleibt das Grab von Pius Walder an der kleinen Kirche von Kalkstein. Man erzählt sich, dass hier jedes Jahr an dessen Todestag von Unbekannten eine gewilderte Gams niedergelegt wird. Die Inschrift auf dem Grabstein ist eindeutig: „Ich wurde am 8. September 1982 in Kalkstein von zwei Jägern aus der Nachbarschaft kaltblütig und gezielt beschossen und vom 8. Schuss tödlich in den Hinterkopf getroffen“.
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