Der Schiefe Turm von Pisa oder die Sagrada Família in Barcelona – die einen konnten den lehmigen Untergrund nicht voraussehen, die anderen werkeln bereits seit über 130 Jahren an ihrem Projekt. Doch nicht nur diese beiden architektonischen Werke sind für ihre Eigenheiten bekannt, auch in Deutschland gibt es zahllose Beispiele von Bau-Katastrophen.
Weil Bauen und Probleme zusammen gehören
Bauvorhaben in Deutschland verlaufen oft nach einem ähnlichen Muster. Zunächst muss die Bevölkerung von dessen Nutzen überzeugt werden, dann wird gebaut und plötzlich kommt ein Problem auf. Entweder gehen die Bauunternehmen bankrott oder sie stoßen auf unlösbare Hindernisse. Einige prominente deutsche Beispiele sind mittlerweile weltweit bekannt. Welt der Wunder präsentiert zum Scheitern verurteilte Baukunst.
Wir können alles außer Flughäfen
Es ist wohl das bekannteste Beispiel einer architektonischen Katastrophe in der Bundesrepublik: Er sollte der Flughafen der Zukunft werden und damit die anderen bestehenden in der Hauptstadt ablösen. Doch der Flughafen Berlin Brandenburg „Willy Brandt“ (BER) wird bereits seit 2006 gebaut und ein Ende ist nicht in Sicht. Auch der Not-Terminplan zur BER-Eröffnung Ende 2017 ist geplatzt. Stattdessen wurde ein neuer Eröffnungstermin kommuniziert: Oktober 2020. Grund dafür sind u.a. ungelöste Brandschutzprobleme. Die Gesamtkosten des Flughafens werden nach neuesten Schätzungen etwa 6,5 Milliarden Euro betragen – 2009 hieß es noch, die Kosten würden 2,83 Milliarden Euro nicht übersteigen. Doch kaum mehr einer der großen Manager in Deutschland traut sich noch an den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden heran. Die Zukunft des BER scheint ungewiss.
Wenn eine Sanierung zum Desaster wird
Die Staatsoper „Unter den Linden“ wurde bereits 1743 fertiggestellt. Nach so vielen Jahren der Existenz musste das Berliner Opernhaus schließlich renoviert werden – diese Arbeiten begannen bereits im Jahr 2010. Derweil ließ der Künstlerische Leiter Daniel Barenboim sein Ensemble im Schillertheater in Berlin spielen. Obwohl am Anfang alles so aussah, als sei zumindest die Staatsoper ein Beweis dafür, dass auch Berlin sein Wort beim Bauen halten kann, wehte plötzlich auch hier ein ganz anderer Wind. Die anfänglich errechneten Kosten der Sanierung von 239 Millionen Euro verdoppelten sich fast mit 400 Millionen Euro. Die Wiedereröffnnung fand nicht, wie geplant, im Jahr 2013 statt, sondern im Oktober 2017.
Eine künstlerische Brache
Die deutsche Hauptstadt führt die Liste der Bau-Debakel an. Doch bei diesem Projekt geht es weniger um eine finanzielle Verrechnung, als vielmehr um eine künstlerische. Das Berliner Kulturforum sollte ein Ort zum Verweilen werden. Doch nun sieht das Gelände eher nach unpassender Brache aus. Nicht nur die weltweit bekannte Philharmonie gehört zum Kulturforum, sondern – neben anderen Gebäuden – auch die Neue Nationalgalerie. Alle gemeinsam sollten sie einen Ort der Kunst erschaffen. Doch ist das durch die großen kahlen Flächen zwischen den Gebäuden nicht gelungen.
Die Baustelle in der Elbe
Es ist der Skandalbau der Hansestadt Hamburg: Die Elbphilharmonie sollte ein Prachtbau und Ort der Musik werden, doch nun ist das Projekt deutschlandweit als peinliches Bauvorhaben bekannt. Seit 2007 wird die 110 Meter hohe Philharmonie gebaut und sollte eigentlich 2010 fertiggestellt sein. Ursprünglich sollte das Konzerthaus am Hafen 77 Millionen Euro kosten – doch die stiegen aufgrund von Verzögerungen auf 789 Millionen Euro an. Allein ein Fenster kostet etwa 20.000 Euro kostet – bei 1.089 Elementen kommt allein dadurch schon eine beachtlich Summe zusammen. Anfang 2016 wurde die Elbphilharmonie dann endlich von den unschönen Bau-Kränen befreit und verloste bereits 1.000 Freikarten zur Eröffnungskonzert im Januar 2017. In diesem Jahr feiert das Konzerthaus seinen ersten Geburtstag – die Zwischenbilanz: 850.000 Besucher, 600 Konzerte und über 4,5 Millionen Schaulustige.
Die Auferstehung des Wutbürgers
Zwar sind auch bei Stuttgart 21 die Kosten weit vor Fertigstellung bereits höher, als zu Beginn angenommen, doch das allein ist noch kein Skandal. Selten hat eine Baustelle in Deutschland so viel Wut der Bürger auf sich gezogen wie dieses Projekt. Obwohl der Bau des neuen Stuttgarter Bahnhofs dennoch begann, protestieren zehntausende Menschen bis zum heutigen Tag gegen das Bauvorhaben. Ein wichtiger Kritikpunkt der Gegner ist das Fällen von über 300 Bäumen. Die ICE-Neubaustrecke und der neue Bahnknoten sollen im Herbst 2021 in Betrieb genommen werden. Die Kosten könnten nach neuesten Berechnungen von 6,5 auf 9,8 Milliarden steigen...
Ein Millionengrab für den Steuerzahler
Nicht nur Insassen wie Schauspieler Karsten Speck und Martin Semmelrogge haben dieses Gefängnis bekannt gemacht. Die JVA Waldeck in Mecklenburg-Vorpommern ist ein Bauskandal der anderen Art. Sie gilt als erstes Gefängnis, welches in öffentlich-privater Partnerschaft errichtet wurde. Bei diesem Bau soll Schmiergeld geflossen sein. Private Investoren bauten für das Bundesland – jedoch muss jenes für die Nutzung der JVA Geld zahlen. Das bedeutet, dass über die vereinbarte Mietzeit von 30 Jahren 120 Millionen Euro fällig werden, die letztendlich auf den Steuerzahler zurückfallen.
Vorsicht: Einsturzgefährdet!
Am 3. März 2009 ereignete sich eine Tragödie in Köln: Der Gebäudekomplex des Stadtarchivs stürzte samt zweier benachbarter Wohngebäude ein. Zwei Menschen kamen dabei ums Leben und 90 Prozent des Archivguts war verschüttet. Als Ursache gilt ein Hohlraum, der sich aufgrund mangelnder Bausicherheit in 30 Metern Tiefe gebildet hatte. Schuld an der Misere soll ein Pfusch am Neubau der Kölner U-Bahn gewesen sein. Dabei soll weniger Material als eigentlich zur absoluten Sicherheit nötig verbaut worden sein.
Eine Kosten-Nutzen-Rechnung
Mehrere neue S-Bahnlinien, dadurch weniger Autos und zudem ein attraktiveres Stadtzentrum – der umstrittene City-Tunnel in Leipzig öffnete bereits 2013, jedoch nicht ohne Gegenstimmen. Auch in Leipzig ist das Spiel ähnlich wie bei anderen Großbauprojekten in Deutschland: Der Bau dauerte vier Jahre länger als geplant, die Kosten stiegen ins Unermessliche und der Nutzen ist in der Bevölkerung stark umstritten – vier Kilometer Tunnel für eine knappe Milliarde Euro.
Das mobile Not-Theater
In Berlin läuft zwar baumäßig viel schief, doch auch der selbsternannte Freistaat Bayern hat diesbezüglich keine weiße Weste. Das Deutsche Theater in München wurde ab 2008 größeren Sanierungsarbeiten unterzogen. Übergangsweise lief der Spielbetrieb in einem mobilen Theaterzelt in Fröttmaning weiter. Eigentlich sollte die Sanierung bis 2011 fertiggestellt werden, doch auch hier kam es zu Verzögerungen. Erst im Januar 2014 öffnete das Traditionshaus wieder seine Pforten – die Kosten der Arbeiten hatten sich bis dahin verdoppelt.
Der Schiefe Turm von Pisa oder die Sagrada Família in Barcelona – die einen konnten den lehmigen Untergrund nicht voraussehen, die anderen werkeln bereits seit über 130 Jahren an ihrem Projekt. Doch nicht nur diese beiden architektonischen Werke sind für ihre Eigenheiten bekannt, auch in Deutschland gibt es zahllose Beispiele von Bau-Katastrophen.