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Epigenetik: Vererbtes Trauma

Foto: iStock / DeoSum

Epigenetik: Vererbtes Trauma

Traumatische Erfahrungen werden nicht nur psychisch sichtbar. Sie verändern sogar die Aktivität der Gene - und werden so an die nachfolgenden Generationen weitervererbt.

Furchtbare Ereignisse werfen ihre Schatten auf nachfolgenden Generationen. So leiden etwa auch die Kinder psychisch unter den Traumata ihrer Eltern. Doch damit nicht genug: Anscheinend brennen sich die traumatischen Erfahrungen ins Genom, also ins Erbgut, ein und werden sogar weitervererbt.

Das Trauma verändert dabei nicht die Anordnung der DNS-Bausteine an sich. Vielmehr wird die Epigenetik modifiziert. Das epigenetische Muster bestimmt, wann und wie oft bestimmte Gene abgelesen werden. Ändert sich dieses Muster, kann das gravierende Auswirkungen haben.

Die Trauma-Forscherin Rachel Yehuda untersuchte Menschen, die den Anschlag vom 11. September 2001 miterlebt hatten. Bei Betroffenen, die eine posttraumatische Störung entwickelt hatten, war die Aktivität einiger für Stresshormone zuständige Gene im Vergleich zu nicht-traumatisierten Menschen verändert. Der Schwachpunkt der Studie: Es gab keine Daten darüber, wie das epigenetische Muster der Menschen vor der traumatischen Erfahrung ausgesehen hatte.

Angeborene Angst vor Kirschblütenduft

Besser belegt ist die Vererbung von traumatischen Erfahrungen bei Mäusen. So trennten Schweizer Wissenschaftler junge Mäuse nach der Geburt innerhalb von 14 Tagen wiederholt von ihrer Mutter, um Kindesvernachlässigung und traumatische Kindheitserlebnisse zu simulieren. Die Mäuse zeigten im Erwachsenenalter Verhaltensauffälligkeiten wie Aggressivität und Depressionen. Auch hatten sie ihre Impulse nicht unter Kontrolle. Die Mäuse vererbten diese Verhaltensauffälligkeiten auf ihre Nachkommen und sogar die dritte Generation war davon noch betroffen.

Wissenschaftler der Emory Universität in Georgia verfolgten einen anderen Ansatz. Sie trainierten Mäuse darauf, einen bestimmten Geruch mit Schmerz in Verbindung zu bringen. Immer wenn die Nager Acetophenon rochen, das an Kirschblüten-Duft erinnert, bekamen sie einen milden Elektroschock. Nach einer gewissen Zeit jagte der Geruch den Mäusen Angst ein. Es war auch eine physiologische Veränderung zu erkennen. So war der Bereich im Gehirn, der für die Verarbeitung dieses Geruches zuständig war, stärker ausgeprägt.

Die Nachkommen der Mäuse, die so trainiert worden waren, erbten die Angst vor dem Geruch und auch die stärkere Ausprägung der entsprechenden Region im Gehirn. Die Mäuse waren aber nicht generell ängstlicher als ihre Artgenossen.

Hoffnung auf neue Therapieansätze 

Bisher kratzen die Forscher zwar noch an der Oberfläche, was die Vererbung von erlernten Verhalten angeht, erklärt Brian Dias von der Emory University. Unter anderem sei ungeklärt, ob die Prozesse auch wieder rückgängig gemacht werden können.

Doch das Wissen, wie traumatische Erfahrungen von Eltern auf die Nachkommen übertragen werden und sie beeinflusst, könnte langfristig bei der Behandlung von psychologischen Störungen eine große Rolle spielen. Die Forscher hoffen, Ansätze für eine Therapie finden, die etwa Kindern traumatisierter Eltern helfen kann.
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