Welt der Wunder

Nicht glauben, sondern wissen

Wie giftig ist mein Essen? Zusatzstoffe und Umweltgifte

Foto: Imago / Christian Ohde

Wie giftig ist mein Essen? Zusatzstoffe und Umweltgifte

Food-Profiler decken auf: Mit welchen perfiden Tricks Lebensmittelkonzerne uns hinters Licht führen und wie scheinbar gesundes Essen unseren Körper schädigt.

Schwer mit Schadstoffen belasteter Lachs ist nur der Anfang

Rund 136.000 Tonnen Lachs verspeisen die Deutschen jedes Jahr. Er gilt als gesundheitsfördernd und soll das Gehirnwachstum unterstützen. „Aber was kaum jemand weiß: Zuchtlachs ist eines der giftigsten Lebensmittel der Welt“, erklärt der Onkologe Jean Loup Mouysset. „Die Fischerei spielt ganz klar mit der Gesundheit der Menschen. Denn welche Chemikalien im Fisch stecken, wird geheim gehalten“, ergänzt Claudette Bethune.

Die Expertin hatte beim norwegischen Institut für Ernährung und Meeresforschung gearbeitet, bevor sie wegen ihrer kritischen Äußerungen entlassen wurde. „Neben den Giftstoffen weist der Zuchtlachs außerdem oft genetische Mutationen auf.“ Und das ist nur der Anfang. Neue Studien offenbaren: Unsere Lebensmittel sind mit unzähligen Giftstoffen kontaminiert. Doch was genau steckt worin? Welche Auswirkungen haben die Substanzen auf meinen Körper? Und wie kann ich mich schützen? Erst allmählich decken Mediziner und Toxikologen auf, wie gefährlich manche Lebensmittel für uns sind. Denn sie werden so stark manipuliert wie nie zuvor.

Mehr Gift als Natur

Im Zuchtlachs finden sich unter anderem Hydrauliköl, Antibiotika, Quecksilber, radioaktives Strontium aus Tschernobyl und Fukushima, Dioxin, Lack, bromiertes Flammschutzmittel, Pestizide, krankheitserregende Keime, der Konservierungsstoff E 210 und Wachstumshormone – das fanden Forscher der University of Texas, der Indiana University und der University at Albany heraus. Die Folgen für uns können gravierend sein: Das Dioxin, ein extrem toxisches Abfallprodukt der Chemieindustrie, löst beispielsweise Diabetes und Krebs aus. Robyn O’Brien, ehemalige Analytikerin der Lebensmittelindustrie, warnt:

„Wir stehen jetzt an einem Wendepunkt. Denn wir leben in einem Zeitalter, wo fast unser gesamtes Essen mit unnatürlichen Fremdstoffen belastet ist. Die Folge: In Zukunft werden viel mehr Menschen an schweren und chronischen Krankheiten leiden. Das zeigt sich ansatzweise jetzt schon: In den USA sind deutlich mehr Zusätze – wie künstliche Wachstumshormone für Milchkühe – zugelassen, als in Japan. Gleichzeitig liegt die Krebsrate in den USA um das Vierfache höher. Es ist extrem auffällig, dass während wir mehr genetisch veränderte Proteine und mehr Chemikalien wie Pestizide einsetzen, die Anzahl der Fälle und die Kosten für kranke Menschen ins Unermessliche steigen.“

Erste Opfer: die Bauern

76 Millionen Menschen erkranken weltweit jedes Jahr durch verseuchte Lebensmittel, schätzt das Bayrische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. 20.000 Menschen sterben, so die Weltgesundheitsorganisation, direkt an einer Vergiftung durch Pestizide. Die Zahl der Krebserkrankungen in den Industrieländern hat sich in den vergangenen 30 Jahren verdoppelt – in Deutschland geht jeder vierte Todesfall auf diese Krankheit zurück.

O’Brien erklärt: „Wir haben es hier mit einer gewaltigen Epidemie zu tun.“ Paul François schätzt sich glücklich, dass er heute noch lebt. Der französische Landwirt fiel bei einem Unfall in einen Behälter. Schwere Verletzungen erlitt er nicht – äußerlich war kaum ein Kratzer zu erkennen. Doch François musste sofort in die Notaufnahme. Denn: Er war in ein Becken mit Alachlor und Monochlorbenzol – beides Pestizide, die er auf seinem Maisfeld einsetzte – gestürzt.

Nachdem er einiges davon eingeatmet hatte, schwebte er in Lebensgefahr. Doch selbst Wochen später, als die akute Vergiftung überstanden war, fiel er immer wieder in ein tiefes, kurzes Koma. „Auch heute machen sich massive Schäden in meinem Gehirn bemerkbar, und ich muss ständig zur ärztlichen Kontrolle“, berichtet der Bauer. „Ich weiß, ich bin nicht das einzige Opfer, besonders unter den Landwirten. Doch es ist ein Tabuthema. Und wir sind nur die ersten Opfer.“ Der Fall zeigt, wie das Gift auf den Körper wirkt – und dabei landen die Pestizide auch beim Verbraucher auf dem Teller.

Wie unbedenklich ist „unbedenklich“?

„Jetzt sagt die Lebensmittelindustrie: Das sind doch nur geringe Mengen. Doch der ‚Sicherheitsfaktor‘ der erlaubten Tagesdosis eines Gifts ist völlig unsinnig. Sie ist kein wissenschaftliches Konzept!“, sagt Erik Millstone, Forscher an der University of Sussex. „Auch winzige Dosen von Giften wie Farbstoffen, die man Tag für Tag ein Leben lang einnimmt, können heimtückische und irreversible Gefahren bergen!“, so der Toxikologe René Truhaut. Die Grenzwerte für bestimmte Stoffe in unseren Nahrungsmitteln stammen zu einem Großteil noch aus den 60er-Jahren, und die Daten für die Berechnung der erlaubten Rückstände liefern die Pestizidhersteller, nicht unabhängige Toxikologen.

Überprüft werden diese fast nie. Wie genau eine „unbedenkliche“ Menge an Rückständen von einer Substanz von der International Food Standards, einer Organisation für Lebensmittelsicherheit, kalkuliert wird, gilt als streng geheim. Sogar die Studien der Konzerne sind durch eine Vertraulichkeitsklausel unter Verschluss. „Das Ganze ist ein Skandal! Diese Informationen müssen endlich veröffentlicht werden“, so Millstone, „die Unternehmen maximieren ihre Gewinne, während die Verbraucher die Risiken tragen.“

Wer aufklärt, wird entlassen

Ein Konferenzraum in Paris. Hier tagt das sogenannte ANS-Gremium der European Food Safety Authority (efsa). Über 20 Mitglieder bestimmen unter anderem, welche Zusatzstoffe in welchen Mengen in unserem Essen landen dürfen. Doch wie unabhängig sind diese Experten? Fakt ist: Viele von ihnen sind bei Lebensmittelkonzernen angestellt. Zum Beispiel arbeitet Dominique Parent-Massin für Coca Cola.

Ein anderer Experte ist bei Danone unter Vertrag. „Grundsätzlich ist es so, dass die meisten Studien zu Gefahren von Zusatzstoffen, Medikamenten und Pestiziden von den Herstellern wie Pharmaunternehmen selbst finanziert werden“, erklärt der Epidermiologe Peter Infante, der 25 Jahre lang für eine Zulassungsbehörde gearbeitet hat.

„Macht ein Wissenschaftler, der von einem Konzern finanziert wird, seine Arbeit gut, also klärt er über Nebenwirkungen auf, wird er entlassen. So war es auch bei mir. Viele Forscher beugen sich schließlich dem Druck und liefern die gewünschten Ergebnisse. Schlussendlich ist es alles eine Frage des Geldes: Niemand zahlt so gut wie die großen Konzerne. Deren Lobby hat uns fest im Griff. Das Forschungssystem ist so ausgelegt, dass es nahezu unmöglich ist, eine schädliche Wirkung zu finden. Die Studien sind dann schlichtweg falsch.“

Clean Labelling als tückischer Trend

Im Dezember 2013 erklärt das europäische ANS-Gremium geringe Mengen von Aspartam für unbedenklich. Der Süßstoff, auch als E951 bekannt, wird künstlich hergestellt. Man findet ihn in Senf, Softdrinks, Obstkonserven, Brotaufstrichen und vielen Milchprodukten. „Wer unsere Studien zu diesem Zusatzstoff liest, weiß, dass wir ihn sofort verbieten müssten“, erklärt Morando Soffritti. Der Mediziner arbeitet am italienischen Institut Ramazzini, einer der wenigen privaten und damit unabhängigen Forschungseinrichtungen, die Zusatzstoffe analysieren.

Bei Mäusen verursachen kleinste Mengen Aspartam einen rasanten Anstieg der Leukämie-Fälle. „Und nicht nur das: Der künstliche Süßstoff erhöht das Risiko für bösartige Hirntumore“, betont der Neuropsychiater John Olney, der die Auswirkungen des Stoffs über Jahre untersucht hat. Doch E951 hat einen Vorteil: Es wird auf der Verpackung deklariert. „Viele Zusatzstoffe stehen gar nicht auf den Produkten“, verrät Lebensmittelchemiker Udo Pollmer. Ein neuer Trend in der Lebensmittelindustrie heißt Clean Labelling.

Wir kennen ihn alle: Immer öfter steht auf den Verpackungen „ohne künstliche Zusätze“. Von der Wahrheit ist das weit entfernt. Eine Studie der Verbraucherzentrale ergab beispielsweise, dass in 90 Prozent der Lebensmittel, die als „ohne Geschmacksverstärker“ deklariert wurden, eben dieser Stoff aber enthalten war. Statt Glutamat nutzen die Konzerne Codenamen wie Hefe- oder Tomatenextrakt, Sojaprotein oder Aroma. „Dabei ist dies ein Nervenzellgift“, warnt der Alzheimer-Forscher Konrad Beyreuther. Der Zusatzstoff steht vor allem im Verdacht, Parkinson und Krebs zu verursachen.

Experten raten dazu, mehr Produkte aus dem örtlichen Bioladen zu kaufen, selbst wenn es auch hier keine Garantie gibt, dass sie nicht kleine Mengen Pestizide oder ähnliche Giftstoffe enthalten. „Langfristig müssen wir uns für mehr Verbote für Chemikalien im Essen einsetzen“, betont die Lebensmittelexpertin Christiane Huxdorff, „die EU-Kommission mutet uns noch eindeutig zu viele Gifte zu!“ Axel Rühmann vom Verband der Köche Deutschlands fügt hinzu: „Als Folge haben wir mittlerweile viele tausend Kinder, die durch diese Chemikalien ernährungsbedingt krank sind. Und das ist erst der Anfang …“

Welt der Wunder - Die App

Kostenfrei
Ansehen