Welt der Wunder

Nicht glauben, sondern wissen

Schiffe auf der Seine in Paris.

Foto: Envato / Redzen2

Europas Metropolen und ihre kleinen Geschwister

Es gibt Städte, die für jeden Reisenden Pflicht sind, weil sie eine magische Anziehungskraft ausüben. Es müssen nicht zwingend Hauptstädte sein.

Dem stressigen Alltag entfliehen durch einen Tapetenwechsel

Jeden hat sicher schon einmal das „Ich muss hier raus“-Gefühl gepackt. Meistens dann, wenn der Alltag zu stressig und das eigene Leben irgendwie zu eng wird. Der Wunsch, etwas Neues zu sehen und zu erfahren, wird dann zunehmend größer, die Sehnsucht nach einem anderen Ort immer stärker.

Ein Tapetenwechsel holt uns schnell aus der täglichen Routine heraus: andere Menschen, eine andere Sprache, ein vollkommen anderes Stadtbild oder neue Gerüche und Geräusche. Doch egal, wie mobil unser Leben inzwischen geworden ist, lässt sich doch kaum in all den Städten leben, die einen faszinieren. Wenn man schon nicht überall leben kann, wo man gerne möchte, dann sollte man doch wenigstens einmal dort gewesen sein.

Das perfekte Stadterlebnis

Wer eine neue Stadt in einem überschaubaren zeitlichen Rahmen kennenlernen möchte, sollte die Zeit optimal auskosten. Das erfordert nicht zwingend eine vollständige Planung und Durchtaktung des Aufenthalts. Aber man sollte sich zumindest mit seinem Zielort etwas auseinandersetzen. Das betrifft neben den Sehenswürdigkeiten ebenso ein angemessenes Verhalten vor Ort. Hinzu kommt, dass Großstädte immer noch ein wenig anders ticken, als der Rest des Landes.

Ein Beispiel dafür, dass man nicht um eine Vorausplanung drum herum kommt, sind die Pariser Museen. Wer sich nicht vorher schon online Tickets besorgt hat, wird einen halben Tag in Warteschlangen verbringen. Oft empfiehlt es sich auch, sich über die verschiedenen Verkehrsregeln des Landes zu informieren. Wer etwa in Kopenhagen mit dem Fahrrad unterwegs ist, sollte wissen, wie wichtig die Handzeichen sind. Nur so kann man Unfälle und viel Ärger vermeiden.

Mit dem Smartphone alles Wichtige festhalten

Die schönen Erinnerungen sollen natürlich nicht nur im Gedächtnis bleiben. Daher ist bei vielen Reisenden das Smartphone der ständige Begleiter – vor allem in Zeiten von Social Media. Und damit die Urlaubsfotos so beeindruckend wie die Reise selbst werden, sollte man auf gute Qualität achten – auch wenn „nur“ das Telefon die Fotos schießt. Wichtig ist, dass die Linse gesäubert und die Auflösung hochgeschraubt ist. Der Rest ist ein fester Griff gegen Wackler und die Motivauswahl.

Wer sich von anderen Hobby-Fotografen abheben will, sollte nicht einfach vor Sehenswürdigkeit XY in die Kamera lächeln. Die gibt’s nämlich schon, seit Generationen und sie werden weder spannender noch dem Urlaubsfeeling gerecht. Anschauungsunterricht gibt’s von herausragenden Reisefotografen bei Instagram. Möglicherweise kann man sich hier auch für die nächste Motivinszenierung und ein potenzielles Reiseziel inspirieren lassen. Instagram selbst bietet mittlerweile auch die Möglichkeit, die Bilder direkt in der App nachzubereiten, bevor man sie dort verbreitet. 

Die grundsätzliche Frage, die sich jeder stellen muss: Wo soll es hingehen? Um das zu beantworten, sollte man sich vorher darüber im klaren sein, ob man die bekannten Touristenhochburgen sehen möchte oder sich unbekanntere Reiseziele aussucht, die dafür weniger überlaufen sind. Um die Entscheidung zu vereinfachen, gibt es hier ein paar Tipps.

Dänemark: Kopenhagen vs. Aarhus

Dänemark ist irgendwie Kopenhagen, das ist nicht von der Hand zu weisen. Die Landeshauptstadt ist nun einmal zugleich auch die bekannteste Stadt des skandinavischen Landes und lockt darüber hinaus mit einer ganzen Menge von Vorzügen. Etwa für passionierte Fahrradfahrer, die hier paradiesische Voraussetzungen vorfinden werden. Oder für all diejenigen, die mit der bronzenen Meerjungfrau im Hafen oder dem Tivoli noch einige der quasi traditionellen Sehenswürdigkeiten abhaken wollen. Warum auch nicht, denn Kopenhagen ist wirklich eine ganz wunderbare Stadt.

Allerdings ist Aarhus das genauso – nur lassen sich die meisten Dänemark-Reisenden die zweitgrößte Stadt entgehen. Eigentlich schade, denn sie ist auch immerhin die zweitälteste Stadt des Landes. Rund 260.000 Menschen leben hier, davon mehr als 40.000 Studenten, die die Aarhuser Universität zur größten von Dänemark machen und die Stadt prägen. Das Besondere: Sie schafft den Spagat zwischen Natur und Kultur, zwischen alt und modern – und das trotz der sehr geringen Größe.

Aarhus ist schließlich nicht umsonst Kulturhauptstadt 2017, ein Titel, der hier wirklich ernstgenommen wird. Auf ihn wurde über Jahre hinweg hingearbeitet, das Thema „Let’s Rethink“ steht schon seit 2008 auf der Agenda und so hat sich die dänische Kleinstadt in gewisser Weise neu erfunden, um den Herausforderungen der Zeit gerecht zu werden.

Das Ergebnis ist unter anderem eine neue Hafencity, die modernen Wohnraum für alle Bevölkerungsschichten bietet. Am Verbindungspunkt von Moderne und Tradition, geografisch gesehen also zwischen Hafenzone und der Altstadt, steht dazu passend mit der Dokk1 – ihres Zeichens Skandinaviens größte öffentliche Bibliothek – ein weiterer Ort der Begegnung. Die gibt es ansonsten aber in der ganzen Stadt, die sich ganz auf dänische Art am besten mit dem Fahrrad erkunden und vom Regenbogen-Rundgang des Aros-Kunstmuseums besonders schillernd überblicken lässt. So zeigt sich Aarhus als eine Stadt, die wenigstens auf Augenhöhe mit Kopenhagen anzusiedeln ist.

Belgien: Antwerpen vs. Brügge

Wer an Belgien denkt, denkt an Schokolade. Und Pommes Frites. Und Waffeln. Vielleicht nicht unbedingt in dieser Reihenfolge, aber es dürfte kaum möglich sein, an den kulinarischen Aushängeschildern des Landes vorbeizukommen. Als nächstes kommt dann wahrscheinlich schon die Assoziation mit Brüssel, was wegen der europaweiten Strahlkraft der Stadt ebenfalls seine Berechtigung hat.

Gleich dahinter folgt schon Antwerpen, was Größe und Bekanntheit anbelangt. Wofür nicht zuletzt ein gewisser Peter Paul Rubens verantwortlich ist, der als Kind der Stadt und Künstler von internationalem Rang überall seine Spuren hinterlassen hat. Übrigens: Ja, das ist der mit den fülligen Frauen und nein, er sollte keinesfalls darauf beschränkt werden.

Wer also neben dem Erkunden der Kulinarik- und Shopping-Angebote, noch etwas Zeit für Kultur erübrigen kann, sollte weder das Rubens-Haus noch die Liebfrauenkathedrale versäumen. Das bietet ausreichend Gelegenheit, einen Eindruck der künstlerischen Leistung von Rubens seiner kaum minder berühmten Kollegen zu gewinnen. Auf dem Weg zwischen beiden lassen sich die Punkte Essen und Einkaufen dann auch gleich auf der Meir (Antwerpens Haupteinkaufsstraße) im Vorbeigehen erledigen.

Wer Antwerpen sagt, muss in Flandern aber genauso Brügge sagen. Gut, theoretisch könnte derjenige auch Gent sagen. Oder Löwen. Oder Mecheln. An sehenswerten Städten mangelt es der vormaligen Grafschaft offensichtlich nicht. Warum also Brügge? Zum einen, weil es durchaus als stellvertretend für viele der belgischen Städte betrachtet werden kann, die allesamt nicht mit ihrem historisch begründeten Selbstbewusstsein hinter dem Berg halten. Weithin sichtbarer Ausdruck dieses Selbstbewusstseins ist in Brügge der Belfried, der nicht nur den Grote Markt, sondern gleich die ganze Stadt überragt. Mit ihm hat sich das reiche Bürgertum bereits im späten Mittelalter ein Denkmal gesetzt, vom Wohlstand zeugte aber im Prinzip die ganze Stadt.

Zum anderen macht gerade der unglaubliche Erhaltungsgrad des alten Brügge den Reiz eines Besuchs aus. Wo Aarhus versucht, durch den Blick in die Zukunft zu punkten, bleibt Brügge ganz bei sich und lässt die Besucher auf die schönste Art und Weise in Geschichte und Tradition eintauchen.

Aus jeder Perspektive und in jeder Hinsicht, wie sich bei Grachtenfahrten und Spezialitätenverkostungen aus erster Hand erfahren lässt. Gilt also tatsächlich „Brügge sehen… und sterben“, wie es die Filmbranche suggeriert? Aus vielen Gründen muss die Antwort hierauf ein klares Nein sein – es lohnt sich viel zu sehr, immer wieder zu kommen.

Holland: Amsterdam vs. Nijmegen

Selbstverständlich gibt es in den Niederlanden mehr als nur Holland. Es ist daher Zeit, sich von der Gleichsetzung von Land und Provinz  zu verabschieden und das gilt für die Erkundungsgänge durch die niederländischen Städte umso mehr. Neben ganz typischen Merkmalen hat jede Stadt ihre eigene individuelle Schönheit.

Beispiel Amsterdam. Die Hauptstadt ist in vielerlei Hinsicht typisch niederländisch, dafür sorgen die Grachten, die sich durch die gesamte Stadt ziehen. Dabei ist Amsterdam aber gleichzeitig so einzigartig. Das lässt sich ebenfalls vom Grachtengürtel oder mit dem Fahrrad am besten entdecken. Die besonderen Highlights? Schwer auszumachen, denn je länger man sich hier umsieht, desto deutlicher wird, dass Amsterdam für sich genommen ein einziges Highlight ist.

Natürlich stechen einige Sehenswürdigkeiten hervor: Das Van Gogh Museum ist nicht nur für Kunstliebhaber ein Muss und das Anne-Frank-Haus bleibt trotz des beklemmenden historischen Hintergrunds ein immer noch vielfrequentiertes Ziel für Besucher der Stadt. Ansonsten schreit Amsterdam geradezu danach, erlebt zu werden.

Das geht am intensivsten am Abend und in der Nacht, wenn die Stadt die Gründe für ihren legendären und weithin hallenden Ruf als Partymetropole offenbart. Wie sehr man sich darin verlieren kann, weiß Fotograf Dennis Branko aus jahrelanger Erfahrung, seinen Ratschlägen sollte Gehör geschenkt werden. Nicht so sehr aus Sicherheitsgründen, sondern um nichts zu verpassen.

Deutlich beschaulicher und verträumter geht es hingegen im Gelderland zu. Unweit der deutschen Grenze zum Beispiel im vergleichsweise überschaubaren Nijmegen. Hier ist alles etwas kleiner – auch wenn die Einwohnerzahl nach deutschen Maßstäben durchaus für die Einordnung als Großstadt ausreichen würde –, was nicht über die Bedeutung Nijmegens hinwegtäuschen sollte: Die Einwohner nehmen immerhin in Anspruch, die älteste Stadt der Niederlande ihr Zuhause nennen zu können. Karl der Große ließ hier eine Kaiserpfalz errichten und Friedrich Barbarossa ist der vielleicht prominenteste Burgherr der Stadt. Beliebt ist das Städtchen seit jeher wegen seiner Thermalquellen, die jüngeren Generationen hingegen zieht es in die hiesige Universität.

Das wiederum sorgt für die richtige Mischung aus frischen Ideen in einem kaum anders als malerisch zu bezeichnenden Umfeld. Die Stadt selbst verzaubert mit ihren historischen Gebäuden, die Hezelstraat lädt zu Lustkäufen und Snacks ein. Sogar gefeiert werden kann hier genauso, etwa im Honigkomplex. Die ehemalige Honigfabrik wurde zu einem multifunktionalen Hotspot der Stadt umfunktioniert, mit Gastronomie, Galerien, Brauereien und verschiedenen Möglichkeiten, Veranstaltungen abzuhalten. Ein gelungener Anlaufpunkt, egal ob tagsüber oder am Abend und damit ein weiterer Grund für einen längeren Aufenthalt in Nijmegen.

Frankreich: Paris vs. Montpellier

Paris ist immer eine Reise wert. Wie keine andere Stadt versinnbildlicht sie die französische Lebensart. Dabei ist die französiche Hauptstadt so vielseitig, dass es immer und überall etwas zu entdecken gibt. Von den allseits bekannten Sehenswürdigkeiten und Wahrzeichen bis zu den weniger bekannten Ecken, zu denen Linas Geheimtipps ein Wegweiser sein können. Damit finden vielleicht sogar Paris-Rückkehrer noch einmal ganz neue Anreize, die Stadt für sich zu entdecken.

Eine Entdeckung dürfte für viele Frankreich-Reisende ebenfalls Montpellier sein. Prachtbauten, gesäumte Boulevards und alles, was mondäne Lebensweise anbelangt, charakterisieren die Stadt an der Mittelmeerküste. Hinzu kommt eine herrlich verwinkelte, noch dazu autofreie Altstadt mit mittelalterlichem Kern und nicht zu vergessen: das mediterrane Flair der Sandstrände direkt vor der Haustüre.

Wem das nicht reicht, dem sei das vielfältige Angebot an Kultur und Kulinarik ans Herz gelegt. Michel Hilaire, der als Direktor des Fabre Museum für eine ansehnliche Sammlung europäischer Malerei vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart verantwortlich ist, kennt beide Seiten und gibt gerne Auskunft und Tipps, wo es sich in Montpellier gut speisen, feiern oder einfach nur die Kunst genießen lässt.

Portugal: Lissabon vs. Porto

Portugal ist gefühlt Lissabon und umgekehrt – danach folgt lange Zeit nichts. Das mag verständlich sein, wenn man Lissabon tatsächlich erlebt hat. Schon das Entrée über die Ponte 25 de Abril mitten hinein in die Stadt hat Gänsehautpotenzial. Alternativ gibt es das Postkartenmotiv auch von der Uferpromenade des Stadtflusses Tejo – Stadtpanorama inklusive.

Die Hauptstadt geizt auch sonst nicht mit Sehenswürdigkeiten: Die Eléctrico 28 gehört zu den historischen Straßenbahnlinien, von denen die Linie 28 mit ihrem Weg durch den Stadtteil Alfama führt und mit Steigungen jenseits der zehn Prozent-Marke noch mehr zum San-Francisco-Gefühl beiträgt. Wer ohnehin schon in Alfama angelangt ist, sollte sich keinesfalls das Castelo de São Jorge entgehen lassen – nicht zuletzt, weil es einen grandiosen Ausblick über die Altstadt erlaubt. Die Liste sehens- und besuchenswerter Orte ließe sich hier endlos fortführen.

Macht das die Chancen für die „kleine Schwester“ Porto deshalb schlechter? Scheint auf den ersten Blick tatsächlich so zu sein, insbesondere seit es Lissabon endgültig geschafft hat, sich in die internationale Spitzenriege der Reiseziele zu erheben. Dafür darf sich Porto mit dem Titel der Kulturhauptstadt schmücken.

Zwar ist Porto rein objektiv betrachtet die kleinere der beiden Städte. Sogar die das Stadtbild prägende Brücke, die Ponte Dom Luís I, ist deutlich kleiner als die der großen Schwester. Das besondere an der Brücke ist die Stahlkonstruktion, die an den Eiffelturm erinnert. Außerdem lässt sie sichauf zwei Ebenen zu Fuß zu überqueren und dabei einen tollen Blick auf den darunter fließen Douro und die Stadt selbst erhaschen.

Die beste Fortbewegungsart, um die Stadt kennenzulernen: zu Fuß. So lassen sich die bunten, verwinkelten Straßen und Gassen der Stadt am eindrucksvollsten erkunden.  Die vergleichbar überschaubare Größe von Porto erweist sich in dieser Hinsicht als klarer Vorteil, auch wenn ganz sicher am Ende des Tages einige Kilometer zusammenkommen, wenn wirklich alle Highlights der Stadt angelaufen werden.

Da ist es vielleicht eine kluge Idee, dem Vorbild von Reisebloggerin Elena zu folgen und die Stadttour gleich mit einer ausgedehnten Verkostung der lokalen Spezialitäten zu verbinden. Sightseeing inklusive Stärkung sozusagen.

Highlights sind etwa die Livraria Lello – eigentlich ein Buchladen, optisch allerdings eher eine Filmkulisse, die in eine andere Zeit entführt. Ähnlich wie der Estação de São Bento, der mit den typischen blau-weißen Azulejos-Kacheln geschmückten Bahnhof. Von dort aus geht es über die Rua das Flores, eine der Einkaufs- und Flaniermeilen Portos, wo die Läden selbst mindestens genauso sehenswert sind, wie die dort verkauften Waren.

Darunter ebenfalls zu finden und unbedingt einen Versuch wert: Die Pastéis de Nata, das sind Blätterteig-Törtchen mit Pudding-Füllung. Ein süßer Ausklang für einen Tag in Lissabons kleiner Schwester.

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